Ist es aufdringliche Plakatwerbung? Stehen hier politische Parolen? Oder gar Warnungen? Auf den ersten Blick irritieren diese Affichen in Bregenz. Doch kaum hat der Besucher die Wörter gelesen, versteht er, dass es keineswegs um Waschpulver geht, sondern um Wichtiges. Hier steht eine Botschaft an die Bürger.
Die Verfasserin der Slogans heisst Barbara Kruger. Die US-Amerikanerin hätte Werbetexterin werden – und sehr viel verdienen – können. Das tut sie tatsächlich, aber als Künstlerin und Dozentin. Die 68-jährige Kruger arbeitet plakativ, am liebsten mit Slogans, die ihre Gedankenwelt auf den Punkt bringen: «Your body is a battleground.» Oder nach Franz Kafka: «Der Sinn des Lebens besteht darin, dass es es beendet.» Solche und ähnliche Aphorismen finden sich in der neuen Ausstellung «Believe + Doubt» im Kunsthaus Bregenz.
Wortsalven
«Ihre Wörter sind Maschinengewehrsalven», schreibt das Washingtoner «Smithonian Magazine»: «Diese Wörter nisten sich im Kopf ein und zwingen einen, über Klischees oder allgemein- gültige Wahrheiten nachzudenken.» Barbara Kruger suche in der Werbewelt nach Schlüsselwörtern wie eine Goldgräberin im Fluss nach den Nuggets, konstatiert das Magazin. Im Hirshhorn Museum der Smithonian-Gruppe in Washington ist bis 2015 eine permanente Ausstellung der Künstlerin zu sehen.
Nähe zur Popkultur
Barbara Kruger kennt den Glamour. Sie arbeitete jahrelang als Bildredaktorin und Gestalterin bei Zeitschriften wie «Mademoiselle» oder «Vanity Fair». Die mit diesen Blättern verbreiteten Illusionen inspirierten und provozierten sie gleichermassen – und wurden ihr Lebensthema.
Die Nähe zur Popkultur ist greifbar. Kruger liebt beispielsweise Reality Shows im Stil von «Big Brother» am Fernsehen. Denn in diesen Serien beschäftigen sich die Teilnehmer laufend mit ihrem Erscheinungsbild in der Öffentlichkeit – Krugers Kernthema. Es geht ihr um den alten Gegensatz von Sein und Schein. Denn sie liebt nicht nur den gesellschaftlichen Glanz; sie ist auch der Nachrichtenwelt verfallen. Und politische Meldungen stehen mitunter in krassem Gegensatz zum Glamour.
Barbara Kruger beruft sich bei ihren weltanschaulichen Einsichten auf den verstorbenen französischen Soziologen Pierre Bourdieu und seine Idee des «Kulturkapitals»: Bourdieu argumentiert, dass Prestige und gesellschaftliche Anerkennung bei der Machtausübung so wichtig seien wie Geld. Und Kruger setzt diese Vorstellung möglichst plakativ um.
Wie sich Protest und Kommerz bei Kruger überschneiden, wurde dieses Frühjahr in einem US-amerikanischen Rechtsstreit um das Label «Supreme» des New Yorker Designers James Jebbia deutlich. Das Unternehmen verklagte einen Konkurrenten vergeblich wegen Markenverletzung. Die Klage wurde abgewiesen, weil Supreme sein Logo bei Kruger abgekupfert habe, wie der Richter befand. Mit andern Worten: Krugers Wortsalven sind zwar provokativ, aber massentauglich. Sie sind konsumkritisch und konsumentenfreundlich zugleich.
Glamour-Welt
Kruger stammt aus New Jersey, besuchte in den 60ern die Parsons School of Design in New York, wo der Gestalter Marvin Israel ihr Kunstverständnis mitprägte. Er war Art Director der Hochglanzzeitschrift «Harper’s Bazaar» und führte Kruger in die Welt der Glamour-Publikationen ein. Nach und nach erkannte sie das Ausdruckpotenzial, das in diesen Heften steckt, und nutzte es künstlerisch. Kruger war mit ihren Werken schon an der Documenta in Kassel und der Biennale in Venedig zu sehen. Heute lehrt sie an der University of California in Los Angeles und damit im geografischen Epizentrum des globalen Glamours.
Intensive Videoshow
Für die Ausstellung «Believe + Doubt» in Bregenz hat Kruger den gleichen Titel wie im Washingtoner Smithonian gewählt. Das Kunstmuseum hat ihr, wie in Bregenz üblich, ziemlich freie Hand gelassen, das Haus für ihre Kunst zu nutzen. Mitkurator Rudolf Sagmeister sagt dazu: «Unsere Künstler müssen sich einzig der Architektur des Gebäudes von Peter Zumthor anpassen.» Neben den Wort-Installationen zeigt Kruger auf einem Stockwerk ihre Videoshow «Twelve» aus dem Jahr 2004, die in den USA auf grosse Anerkennung gestossen ist. In den zwölf Minuten dauernden Filmen führen professionelle Schauspieler heftige Dialoge miteinander, und zwar jeder visa-à-vis auf gegenüberliegenden Wänden. Sie streiten jeweils über ein Thema – etwa den Wert der Kunst und politische Strategien. Eine mögliche Idee dahinter: Der Besucher hört in der Mitte in seinem Kopf widersprüchliche Ansichten zu einem Thema, die ihn in ihrer Intensität verwirren.
Das Kunsthaus Bregenz präsentiert immer wieder Künstler mit politischem Hintergrund, letztes Jahr beispielsweise den dänisch-vietnamesischen Künstler Dan Vo, der sich gleichfalls mit der westlichen Konsumwelt beschäftigte.
Ausstellung
Barbara Kruger. Believe + Doubt
Sa, 19.10.–So, 12.1.
Kunsthaus Bregenz
Dora Garcia
In seiner «Arena» zeigt das Kunsthaus Bregenz unter dem Titel «Die Sinthome-Partitur» Arbeiten der spanischen Künstlerin Dora Garcia – Texte, Fotografien, Filme und Installationen. Garcia setzt sich ähnlich wie Barbara Kruger mit der Sprache und ihrer Umsetzung auseinander. Garcia machte in den letzten Monaten mit ihrem Filmprojekt «The Joycean Society» auf sich aufmerksam. Sie begleitete dafür ein Jahr lang die Zürcher James Joyce Lesegesellschaft des Hochschullehrers Fritz Senn, die sich intensiv mit dem verschlüsselten Werk «Finnegans Wake» des irischen Schriftstellers beschäftigte.
Sa, 19.10.–So, 12.1.
Kunsthaus Bregenz Arena