Soll noch einer sagen, Namen seien Schall und Rauch. Jedenfalls nicht für Bomsori Kim. Als sie am 13. Dezember 1989 in Daegu, der drittgrössten Stadt Südkoreas, zur Welt kam, suchte ihr Grossvater einen Namen für sie aus: «Bom» für «Frühling» und «Sori» für «Klang». Eigentlich sei sie nicht im Frühling, sondern mitten im Winter geboren, lächelt die Geigerin, «aber auch in Korea sind die Winter kalt und nass, und mein Grossvater wollte mir ein bisschen Sonnenschein in mein Leben mitgeben».
33 Jahre später kann man feststellen: Er muss eine prophetische Gabe besessen haben, denn besser hätte sich die in ihren Namen gelegte Bedeutung für Bomsori nicht erfüllen können.
Intensives Musikerlebnis im Kindesalter
Entsprechend glücklich ist sie damit, so sehr, dass sie unterdessen auch offiziell dazu übergegangen ist, ihren Allerweltsnachnamen Kim wegzulassen. Was ihr Grossvater schon ahnte, erlebte sie im Alter von fünf Jahren: «Meine Eltern nahmen mich mit in ein Konzert der koreanischen Geigerin Kyung-Wha Chung, und ich fühle bis heute genau, wie dieser Geigenton mich tief im Innersten getroffen hat.
Ich habe geweint, und meine Eltern dachten schon, ich sei krank geworden. Aber ich war einfach so bewegt von diesem Klang. Da habe ich mich in die Violine verliebt, und ich wollte sofort auch Geige spielen.»
Zielstrebig an der Karriere gearbeitet
Daraus wurde mehr als die Laune eines kleinen Mädchens: Nach Studien in Südkorea ging sie an die renommierte New Yorker Juilliard School. Sie nahm an über einem Dutzend Wettbewerben teil und wurde dabei oft ausgezeichnet. «Ich wollte mich zeigen», sagt sie heute dazu. «Jeder Wettbewerb ermöglichte Treffen mit neuen Agenten, Dirigenten, Musikern, Orchestern.
Und ich habe mich selber unter Druck gesetzt, für jeden Wettbewerb ein anderes Violinkonzert vorzubereiten, um jeweils andere Facetten von mir zu zeigen.» Einer dieser vielen Wettbewerbe wurde dann zum bedeutenden Meilenstein ihrer jungen Karriere: 2016 reüssierte sie beim Wieniawski-Wettbewerb im polnischen Posen. Und mehr als der zweite Preis prägte sie die Begegnung mit den herzlichen Menschen, aus der zahlreiche Freundschaften mit polnischen Künstlern entstanden.
«Aus diesem Preis haben sich auch viele weitere Möglichkeiten ergeben, unter anderem die Einspielung des zweiten Violinkonzerts von Henryk Wieniawski. Ich habe mich in diese Musik verliebt, ich mag die Leichtigkeit von seinen Melodien und deren virtuose Attitüde.»
Als ihr nach diesen Erfolgen die renommierte Deutsche Grammophon einen Exklusivvertrag anbot, wollte sie sich nicht mit einem Konzert aus dem Kanon der grossen Konzerte von Brahms, Bruch oder Beethoven zeigen, sondern wählte weitere leichte Geigen-Capricen von Wieniawski und kombinierte sie mit virtuosen Arrangements von romantischen Opernarien. «Ich bin normalerweise keine laute Person. Aber das ändert sich, sobald ich Musik mache.
Ich habe immer gerne gesungen und getanzt, und wenn ich Geige spiele, dann liebe ich es, durch die Musik die Emotionen auszudrücken, die in diesen Stücken stecken. Deshalb wollte ich unbedingt auch Opern- und Ballettmusik auf meinem Album haben.»
Sie mag die grossen Auftritte
Mit der Leichtigkeit und der Wärme ihres «Frühlingsklangs» trifft Bomsori überall auf der Welt die Herzen des Publikums. Und sie mag grosse Auftritte: Im Juli begeisterte sie bei den BBC Proms in der legendären Londoner Royal Albert Hall mit dem ersten Violinkonzert von Max Bruch über 8000 Zuhörer. Mit demselben Stück brachte sie im Jahr zuvor vor 55'000 Besucherinnen und Besuchern im New Yorker Central Park die Stimmung zum Kochen.
Aber Bomsori beherrscht auch die ernsteren Facetten des klassischen Repertoires: Schon 2019 spielte sie mit dem polnischen Pianisten Rafal Blechacz Sonaten von Fauré, Debussy, Szymanowski und Chopin ein und überzeugte dabei mit ihrem variablen Geigenspiel.
Ein unterschätztes Werk für das Konzert in Zürich
Für ihr Debüt beim Tonhalle-Orchester wählte die Koreanerin keines der populären romantischen Violinkonzerte, sondern das eher unterschätzte Werk des dänischen Komponisten Carl Nielsen. Dieser war selbst ein begabter Geiger, der vom Dorfmusikanten zum hoch geschätzten Nationalkomponisten aufstieg.
In sein einziges Konzert für dieses Instrument legte er 1912 sein ganzes Können: Brillant sollte es sein, aber keinesfalls oberflächlich, sondern gehaltvoll und bewegend. Das ist es geworden, aber auch extrem herausfordernd, was dazu führte, dass auch sehr gute Geiger einen Bogen um das komplexe Werk machen. Nicht Bomsori: Am 6. Oktober spielt sie es in Zürich unter der Leitung von Paavo Järvi.
Mit den Zürchern geht sie anschliessend auf Tournee nach Südkorea: Marketingtechnisch ein perfekter Türöffner für das Zürcher Orchester in diesem grossen und noch immer stark boomenden Klassikmarkt. In Daegu und Seoul spielen sie ebenfalls das Nielsen-Konzert. Anschliessend zieht das Orchester für sechs Konzerte weiter nach Japan, dann aber nicht mit der koreanischen Geigerin, sondern mit dem kanadisch-chinesischen Pianisten Bruce Liu. Auch er ein Klassik-Star, auch er dekoriert mit einem Vertrag bei der Deutschen Grammophon.
Liu zeigt sich mit Klavierkonzerten von Chopin und Rachmaninow. Chopins erstes Klavierkonzert spielt der Gewinner des Chopin-Wettbewerbs von 2021 am 4. Oktober auch in Zürich.
Zeit für Familie, Tai-Chi, Lesen und Janggi
Bomsori bleibt derweil in Korea, die Auszeiten mit ihrer Familie sind in der Agenda blockiert. Fürs innere und äussere Gleichgewicht sorgt stets auch Tai-Chi. Sie erzählt, sie sei eine Leseratte. Und andere sagen über sie, sie sei fast unschlagbar in Janggi, einer koreanischen Variante des Schachspiels. Was sie nicht bestreitet: «Ich bin tatsächlich ziemlich gut darin, aber meist fehlt mir leider die Zeit für Janggi.»
Konzert
Bomsori Kim spielt Nielsen
Fr, 6.10., 19.30
Tonhalle Zürich
Album
Bomsori Violin on Stage
Wieniawski, Saint-Saëns,
Tschaikowsky u. a.
(Deutsche Grammophon 2021)