BLUE BALLS FESTIVAL Die Frauen des «Freak Folk»
Zwischen poppigem Festival-Glanz finden sich im Luzerner Blue-Balls-Programm auch Vertreterinnen des sogenannten «Freak Folk». In diese Stil-Schublade passen CocoRosie und Joanna Newsom.<br />
Inhalt
Kulturtipp 15/2011
Letzte Aktualisierung:
05.03.2013
Urs Hangartner
Sie besitzen alle ziemlich schrägen Charme und schöpfen aus dem ur-amerikanischen musikalischen Fundus von Folk und Country. Und sie fügen dem Althergebrachten Neues hinzu. Dabei kümmern sie sich wenig um radiotaugliche Songformate. Das verbindet die ansonsten doch ziemlich unterschiedlichen weiblichen Blue-Balls-Acts, welcher derselben Generation (um die 30) von Musikfrauen angehören.
«Freakig» sind sie in der Tat: Die beiden Schwestern Bianca und Si...
Sie besitzen alle ziemlich schrägen Charme und schöpfen aus dem ur-amerikanischen musikalischen Fundus von Folk und Country. Und sie fügen dem Althergebrachten Neues hinzu. Dabei kümmern sie sich wenig um radiotaugliche Songformate. Das verbindet die ansonsten doch ziemlich unterschiedlichen weiblichen Blue-Balls-Acts, welcher derselben Generation (um die 30) von Musikfrauen angehören.
«Freakig» sind sie in der Tat: Die beiden Schwestern Bianca und Sierra Casady konzertieren gerne kostümiert und maskiert. Von elektronischen bis Spielzeuginstrumenten, vom klassischen Piano bis zu Geräuschgeräten setzen CocoRosie eine Vielfalt von Tonerzeugungsmitteln ein. Aufgewachsen in mehreren amerikanischen Städten, verloren sich Bianca (von der Mutter «Coco» gerufen) und Sierra («Rosie») als Teenager aus den Augen, fanden sich Jahre später wieder, in Paris, von wo aus sie seither künstlerisch operieren. Mit wachsender Aufmerksamkeit beim Indie- oder Alternativ-Publikum verfolgen die Schwestern seit ihrem Album-Debüt vor sieben Jahren ihre Karriere abseits des Mainstreams.
Was CocoRosie machen, ist gesanglich und musikalisch äusserst Eigensinniges. Etwas sympathisch Schrulliges, das man unbedingt auch sehen sollte. Es empfiehlt sich, zum Konzertbesuch im KKL einen Operngucker mitzubringen.
Die Harfe begleitet Joanna Newsom seit ihrer Kindheit. Am Anfang gehörte ein kindlich-quäkender gesanglicher Ausdruck zum Markenzeichen der Kalifornierin. Die Stimme hat sich inzwischen zum Guten gewandelt, nachdem sie dramatische Stimmbänderprobleme vor zwei Jah-
ren glücklich überstand. Heute ähnelt Joanna Newsom Musikerinnen wie Joni Mitchell und Kate Bush. Die schöne 29-Jährige – sie hat schon für Armani gemodelt – macht je nachdem ausser- oder überirdische Musik, die jedoch auch ganz erdig daherkommt (ihr aktuelles Dreifach-Album «Have One On Me» ist thematisch dem Element Erde gewidmet). Aussergewöhnliche Musik wie nicht von hier, elfenhaft-romantisch und doch zeitgemäss.
[CD]
CocoRosie
Grey Oceans
(Souterrain 2010).
Joanna Newsom
Have One On Me
(Drag City 2010).
[/CD]