«BIUTIFUL» Verantwortung vor der Familie
Ein Mann weiss, dass er sterben wird, und will noch so vieles pflichtbewusst in Ordnung bringen. Javier Bardem spielt den Mann unvergleichlich intensiv im filmischen Barcelona-Blues des Mexikaners Alejandro González Iñárritu.
Inhalt
Kulturtipp 06/2011
Urs Hangartner
Zuletzt war er etwa ein ganz auf- und augenfällig frisierter Killer in «No Country For Old Men» bei den Coen-Brüdern oder ein die Frauen betörender Latin-Lover und Künstler in Woody Allens «Vicky Cristina Barcelona». Der internationale Schauspielstar Javier Bardem spielt nun unter der Regie des mexikanischen Grosstalents Alejandro González Iñárritu einen todkranken Kleinkriminellen und treu sorgenden Familienvater. Dabei beweist...
Zuletzt war er etwa ein ganz auf- und augenfällig frisierter Killer in «No Country For Old Men» bei den Coen-Brüdern oder ein die Frauen betörender Latin-Lover und Künstler in Woody Allens «Vicky Cristina Barcelona». Der internationale Schauspielstar Javier Bardem spielt nun unter der Regie des mexikanischen Grosstalents Alejandro González Iñárritu einen todkranken Kleinkriminellen und treu sorgenden Familienvater. Dabei beweist Bardem wieder einmal seine erstaunliche Wandelbarkeit, die ihn als starken Darsteller bestätigt. Schon beim Drehbuchschreiben hatte sich der Regisseur Javier Bardem als Idealbesetzung in der Hauptrolle vorgestellt, ja mehr noch: «Ich hätte den Film nicht ohne ihn machen können.»
Regisseur González Iñárritu zeigt mit seinem vierten Film «Biutiful» auch einen Wandel in seinem Schaffen. Innerhalb von zehn Jahren hatte er als Erzähler mit ureigenem Gestaltungswillen drei Filme vorgelegt. Die Titel: «Amores Perros», «21 Grams» und «Babel». Nach dem letzten Film befand Iñárritu, «dass es genug war mit parallel verlaufenden Handlungssträngen, zersplitterten Strukturen und sich kreuzenden Erzählungen».
Hin zum Linearen
Das faszinierte bisher, von Anfang an mit dem wuchtigen Erstling «Amores Perros»: Filmgeschichten von der Verschränkung von Schicksalen in Zeit und Raum. Neu ist bei «Biutiful» die künstlerische Bewegung hin zum Linearen und wenn man so will: Überschaubareren.
Uxbal (Javier Bardem) hat Prostatakrebs samt Metastasen. Einige Monate bleiben ihm vielleicht noch, so der ärztliche Befund. Rührend kümmert er sich um seine beiden Kinder Ana und Mateo, draussen mischelt und organisiert er, bei den illegalen afrikanischen Strassenhändlern, als «Disponent» der chinesischen Schwarzarbeiter. Mit dem windigen Bruder Tito gilt es, die Grabnische des Vaters zu zügeln. Und Ex-Frau Marambra (Maricel Álvarez) bereitet ihm Sorgen, nicht nur ihrer «bipolaren Störung» wegen.
Schwere Schuld lädt Uxbal, der Leidende, auf sich, als er es zwar gut meint und für die Schwarzarbeiter im Keller mobile Heizkörper organisiert. Aber weil er die billigsten genommen hat, ereignet sich Furchtbares. Alle Chinesen ersticken in ihrem Verschlag. Zum harten Realismus kommt das Spirituelle dazu. Uxbal sucht Rat bei Bea, die ihm rät, Ordnung zu schaffen, aber nicht nur im Materiellen: «Bring deine Seele in Ordnung.»
Reflexion übers Leben
Auch wenn es tödlich endet für den Protagonisten, so Regisseur Iñárritu, «war ich nie daran interessiert, einen Film über den Tod zu machen». Was er machen wollte: «Eine Reflexion über das Leben, wenn der Zeitpunkt gekommen ist, dass wir es verlieren.»
Zwei Szenen wiederholen sich, je am Anfang und am Schluss des Filmes. Eine vertrauliche Situation zwischen Vater Uxbal und Tochter Ana daheim und eine Traumsequenz im Schnee-Wald, bei der Uxbal seinem Vater begegnet, im Jenseits, wie sich herausstellen wird. Daheim die bewegenden Worte zur Tochter: «Bitte erinnere dich an mich. Vergiss mich nicht.»