Die ägyptischen Hieroglyphen sind nur eine symbolische Schrift – sollte man glauben. Und liegt falsch damit. Denn den Hieroglyphen liegt auch ein Alphabet mit phonetischen Lauten zugrunde. Zu dieser Erkenntnis gelangte der französische Gelehrte Jean-François Champollion (1790–1832), Sohn eines Buchhändlers aus der südfranzösischen Provinz.
Packende Bilanz
Der englische Autor Andrew Robinson hat nun eine Biografie geschrieben mit dem Titel «Wie der Hieroglyphen-Code geknackt wurde – das revolutionäre Leben des Jean-François Champollion». Es ist eine packende Lebensbilanz; Robinson hält die Distanz zu dem Gelehrten und schildert ihn als einen ebenso genialen wie komplizierten Charakter.
Am Anfang war der Stein von Rosetta. Ein französischer Offizier entdeckte ihn 1799 während des napoleonischen Feldzugs im Nildelta. Dieser erkannte sogleich den Wert des eingravierten Textes. Er ist in drei Varianten des Alt-Ägyptischen geschrieben – darunter den Hieroglyphen.
Sprachforscher Champollion war schon in jungen Jahren von diesen Schriftzeichen fasziniert. Und er glaubte als 19-Jähriger, den Stein leicht entziffern zu können, zumal er profunde Kenntnisse der andern Schriften hatte. Doch je länger sich Champollion mit der Aufgabe beschäftigte, umso aussichtsloser erschien das Unterfangen. Denn zuerst erkannte er wie alle andern in den Hieroglyphen nur Symbole statt Buchstaben. Der junge Gelehrte liess die Arbeit ruhen, aber wissenschaftliche Neugier trieb ihn bald erneut an.
Champollion war ein schwieriger Mensch, ein Egomane, wie man heute sagen würde. Es gab nur die Forschung in seinem Leben. Dafür vernachlässigte er Frau und Tochter. Der Forscher war missgünstig und neidisch, besonders gegenüber seinem Rivalen, dem englischen Physiker Thomas Young (1773–1823). Der Universalgelehrte beschäf-tige sich in London zwar nur nebenbei mit den Hieroglyphen. Er war aber zeitweise Champollion bei der Entzifferung voraus – zumal dem Franzosen immer wieder Fehler unterliefen, die er nicht wahrhaben wollte. Vieles, was Champollion für erwiesen hielt, mussten spätere Ägyptologen korrigieren.
Champollion war ein engagierter Kämpfer für die französische Revolution und wurde von Napoleon unterstützt. Für diese politische Nähe büsste Champollion in den späteren Jahren der monarchistischen Restauration. Der Sprachforscher war immer mit einer Garde persönlicher und politischer Feinde eingedeckt.
Reise nach Ägypten
Höhepunkt seines kurzen Lebens war eine Expedition nach Oberägypten, wo er wie ein Besessener Hinterlassenschaften seiner geliebten Pharaonen sammelte: «Er ging in der Nacht zurück in den Tempel und arbeitete von halb zwei bis vier Uhr am Morgen. Er verglich sechs Zeilen seiner Transkription mit dem Original eines Dekrets und kopierte dann noch fünfzehn weitere Kolumnen der Inschrift von einem Relief, bevor ihn die Erschöpfung zwang, mit der Arbeit aufzuhören.» Der Mann litt an Gicht.
Robinson beschreibt das Leben eines Gelehrten in allen Facetten. Zugleich erfährt der Leser sehr viel über die Entdeckung des alten Ägyptens.
Andrew Robinson
«Jean-François Champollion – Wie der Hieroglyphen-Code geknackt wurde»
238 S. (Philipp von Zabern 2014).