Der junge Mann krallte sich ein Gewehr und stürmte los. Mit einer Truppe wild entschlossener Rebellen marschierte er im Februar 1830 zum Pariser Rathaus, um sich dort in den Kampf zwischen den königlichen Truppen und den Aufständischen zu stürzen. Der Rebellenführer hiess Alexandre Dumas. Er war der französische Dramatiker und Romancier, der es mit Werken wie «Der Graf von Monte Christo» oder «Die drei Musketiere» zu Weltruhm bringen sollte.
Jetzt ist unter dem Titel «Alexandre Dumas – Der vierte Musketier» eine neue Biografie über ihn erschienen. Der deutsche Romanist Ralf Junkerjürgen zeichnet das Porträt eines ehrgeizigen Mannes mit einer schier unglaublichen Schaffenskraft.
Ein politischer Opportunist
Das ist die eine Seite dieses literarischen Genies. Die andere ist schillernder: Alexandre Dumas (1802–1870) war trotz seiner Beteiligung am Aufstand von 1830 ein politischer Opportunist, der skrupellos die Seite wechseln konnte. Zudem war er ein rücksichtsloser Erotomane. Diese charakterlichen Eigenschaften machten sein Leben so turbulent wie dasjenige seiner Musketiere, die im Mittelpunkt seines Weltbestsellers stehen.
Dumas’ Herkunft war für die damalige Zeit ungewöhnlich. Er war der Sohn des ersten dunkelhäutigen französischen Generals, eines Soldaten aus Haiti, der es unter Napoleon zu seinem Rang brachte. Seine Heldentaten animierten Dumas schon während seiner Kindheit im Provinzstädtchen Villers-Cotterêts nördlich von Paris zu Unerschrockenheit.
Seinen literarischen Durchbruch schaffte Alexandre Dumas als Theaterautor. Die Premiere seines Stücks «Heinrich III. und sein Hof» traf 1829 den Zeitgeist der aufkommenden Romantik präzise. Dumas wusste um die Sprengkraft der Inszenierung und lud zu dieser Vorstellung den Herzog von Orléans ein, der ein Jahr später französischer König werden sollte. Just diese Nähe zur Aristokratie liess Dumas in den Augen seiner Zeitgenossen als Revolutionär verdächtig erscheinen. Zwei Mal setzte Dumas später zu einer politischen Karriere an und scheiterte kläglich.
In diese Zeit des Aufbruchs fiel auch sein erster erotischer Winkelzug: Er schwängerte die verheiratete Schriftstellerin Mélanie Waldor. Sie stammte aus guten Kreisen und verabschiedete sich nach Westfrankreich, um einen Skandal zu vermeiden. Gleichzeitig machte sie damit Dumas den Weg in Paris frei, sich in eine neue Liebschaft zu stürzen. Dumas’ Unbeständigkeit im Liebesleben sollte sich durch sein Leben ziehen; er brüstete sich damit, 500 Kinder gezeugt zu haben. Falsche Bescheidenheit kannte der Mann nicht.
Nach Bankrott Wegzug in die Fremde
Aus heutiger Sicht müsste Dumas als reicher Mann das Zeitliche gesegnet haben. Aber er konnte mit dem Geld nicht umgehen, vielleicht interessierte es ihn zu wenig. Jedenfalls ging er mit seinem eigenen Théâtre Historique bankrott und zog in der Folge lieber im Ausland seine Kreise. So liessen sich unangenehme Begegnungen mit Gläubigern vermeiden, und er konnte gleichzeitig seiner Abenteuerlust frönen, etwa in den Reihen des italienischen Revolutionärs Garibaldi.
Alexandre Dumas – Der vierte Musketier
Ralf Junkerjürgen
271 Seiten
(wbg Theiss 2020)