Die Leiden eines Verliebten sind fürchterlich. «Das Puma war zärtlich, vertraut, doch von Sex wollte es nichts mehr wissen.» Unter dieser Enttäuschung litt der deutsche Autor Erich Maria Remarque, der die Schauspielerin Marlene Dietrich liebte. Er war seinem «Puma» verfallen. Aber für sie war er nur einer unter vielen, auch wenn sie ihm «Schnupsilein» ins Ohr flüsterte. Remarques Liebesqualen beschreibt der Berliner Autor Edgar Rai in der fiktionalen Biografie «Ascona» über den Schriftsteller: «Wieder nichts vom Puma. Immerhin gab es Tage, da wartete er weniger sehnsüchtig als an anderen.»
Ein Leben voller Beziehungsdramen
Als Remarque in den 1930ern ein Verhältnis mit Marlene Dietrich hatte, war er weltberühmt. Sein Roman «Im Westen nichts Neues» war ein Bestseller geworden, weil er die Sinnlosigkeit des Stellungskriegs im Ersten Weltkrieg erschütternd schilderte. Nur eine Generation später stand die Welt erneut an einem Abgrund, und der Schriftsteller erkannte die Gefahr frühzeitig. Er flüchtete nach Ascona, als Adolf Hitler Ende Januar 1933 deutscher Reichskanzler wurde. Bald darauf verbrannten die Nazis Remarques Bücher: «Gegen literarischen Verrat an den Soldaten des Weltkriegs, für Erziehung des Volkes im Geiste der Wehrhaftigkeit», soll die Begründung gelautet haben.
Edgar Rai packt vieles in dieses Buch, ohne es zu überladen. Er berichtet vom lebensfrohen Emigrantenkreis in Ascona rund um die Künstlerin Marianne von Werefkin oder die Schauspielerin Tilla Durieux. Vor allem aber schildert Rai die persönlichen Nöte, unter denen Remarque litt. Vor seiner unerfüllten Liebesbeziehung mit Dietrich war er in andere Beziehungsdramen verstrickt, wie etwa mit seiner Frau, der Tänzerin Jutta Zambona. Er heiratete sie nach der Scheidung ein zweites Mal, um ihr den sicheren Aufenthalt in der Schweiz zu ermöglichen.
Remarque kämpfte im Tessin zudem mit einem Schreibstau. Verzweifelt arbeitete er an seinem Roman «Drei Kameraden», einer Schicksals- und Liebesgeschichte über die Zwischenkriegszeit. Mit dem Stoff kam er aber nicht zurecht, weil sich die politischen Verhältnisse jener Zeit laufend veränderten. Zudem verhinderten seine Trinkgewohnheiten einen geordneten Arbeitsalltag. Remarque versumpfte immer wieder in den Emigrantenlokalen wie dem Kaffeehaus Verbano in der Via Borgo: «Man redete und rauchte und trank, dankbar für die Insel in der Zeit.»
Ein berührendes Bild des Exilanten
Edgar Rai konzentriert sich in seinem Roman auf die Zeit zwischen 1933 und dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs, als Remarque in die USA flüchtete. Rai nimmt sich alle erzählerischen Freiheiten, vermittelt indes ein berührendes Bild des Exilanten, der stets mit sich selbst zu kämpfen schien: «Er war ins Bett gefallen, hatte bis nach Mittag geschlafen, anschliessend zwei Stunden mit literweise Kaffee über seinem Manuskript gekauert … und gegen halb fünf die erste Flasche geöffnet.»
Die Emigrantengemeinde in Ascona fasziniert seit langem. Der deutsche Autor Curt Riess hatte in den 1960ern bereits ein Buch über diese Szene geschrieben. Die Zürcher Journalistin Esther Scheidegger hat seine Aufzeichnungen soeben neu herausgegeben.
Buch
Edgar Rai
Ascona
247 Seiten
(Piper 2021)