Was für Autos, Ferienwohnungen oder Internet-Musik gilt, hat nun die Kunst erreicht. «Der gesellschaftliche Trend geht weg vom Besitzen, hin zum Nutzen», sagt der deutsche Konsumforscher Michael Kuhndt. Zwar ist das professionelle Kunstvermieten in der Schweiz eher spät angekommen, was mit den vielen Galerien und Museen sowie dem hohen Wohlstandsniveau zusammenhängen mag. In den Niederlanden, Grossbritannien oder Deutschland sind Kunstvermieter jedoch seit Jahrzehnten aktiv.
Die Vorteile der Kunst auf Zeit sind offenkundig: Wohin mit einem teuren Kunstwerk, wenn der Besitzer es nicht mehr sehen mag? Der Keller ist zu feucht, professionelles Einlagern kostet, und Verkaufen ist für den Laien mühsam – finanziell meist uninteressant. Bilder lösen nur selten den Wert, den sie einst gekostet haben. Wer Kunst nicht zwingend besitzen muss, der mietet.
Späte Liebe
Seit 2002 bietet die Gruppe Kunstausleih, die derzeit aus sechs Künstlern besteht, bildende Kunst zum Mieten an. Im Gegensatz zum traditionellen Kunstmarkt und internetbasierten Galerien vermieten sie ihre Werke selber. Deren Kaufpreise liegen zwischen 1000 und 8000 Franken. Sie können für 10 bis 20 Prozent des Verkaufswertes ausgeliehen werden. Ob Porträts, Tierzeichnungen, abstrakte Collagen, politisch inspirierte Comics oder Landschaftspastelle: Die 500 Werke von Kunstausleih sprechen unterschiedliche Geschmäcker an. Es kommt sogar vor, dass sich Mieter mit der Zeit in die Leihgabe verlieben. «In 30 Prozent der Fälle wird ein Bild nach Ablauf der Mietdauer gekauft», sagt Rita Cedraschi, eine der Künstlerinnen von Kunstausleih und Sprecherin der Gruppe.
Leihgaben vom Künstler
Ein Drittel der Mieter behalte das Bild für ein weiteres Jahr oder wähle stattdessen ein anderes. Dadurch entstehe auf Dauer eine Kundenbindung, die mit regelmässigen Ausstellungen intensiviert werde. «Hier hören wir, welche Art von Arbeiten anspricht. Wir malen nicht, was der Markt will, aber manchmal lässt man sich inspirieren», sagt Künstlerin Rita Cedraschi, die in Zollikon ZH lebt. So habe zum Beispiel die Holländerin Inez van Deelen lange nur Frauen porträtiert, bis sie auf Anregung von Mietern begann, Männerporträts zu malen.
Andere Künstler vermieten ihre Werke in Eigenregie, zum Beispiel der in Kriens LU lebende Maler Konrad Abegg. Er verleiht grossformatige Arbeiten auf Leinwand und Papier: «Anstatt die Bilder im Atelier verstauben zu lassen, erlangen sie Ausstrahlung. Die Leute leben damit, lernen sie kennen und wollen sie meistens nicht mehr zurückgeben.» Die im Zürcher Seefeld arbeitende Malerin Brigitte Buck Litscher verleiht über ihre eigene Website (kunstmieten.ch) Ölbilder mit Blumen- und Reiseimpressionen. Trotz des gehobenen Preissegments (ab Fr. 120.–/Monat) bestehe ihre Stammkundschaft zu mehr als 40 Prozent aus Privaten.
Wer sich nicht für eine Stilrichtung entscheiden mag, wirft einen Blick auf die Website von Artrent. Von A wie Abstrakt bis S wie Surreal: In elf Rubriken bietet die Zürcher Firma rund 500 Bilder und Plastiken von 25 Kunstschaffenden an, die meisten von Schweizern. Auch hochpreisige Werke von international bekannten Namen sind dabei, wie zum Beispiel vom deutschen Fotografen Wolfgang Volz. Sein handsigniertes Bild des von Christo und Jeanne-Claude verhüllten Berliner Reichstags kann man für 3200 Franken Miete im Jahr zu Hause haben (Kaufpreis: 23 000 Franken). Dies ist aber laut Geschäftsführer Hendrik Barth eine Ausnahme. «Günstige Werke wie eine Zeichnung von Tina Held gibt es bereits für 130 Franken, die teuersten gemieteten Objekte liegen bei 800 Franken pro Jahr», so Barth.
Auswahl zu Hause
Das Ausleihen von Kunst ist für die Kunstschaffenden attraktiv, werfen die vermieteten Werke doch laufend Tantiemen ab. 50 Prozent der Mieteinnahmen geben die Vermieter im Schnitt an die Künstler weiter. Davon könne manch einer leben, sagt Erika Burki, Geschäftsführerin des Solothurner Kunstverleihs Ask for Art. Sie sei darum gar nicht so sehr am Verkauf der Werke interessiert, erklärt Burki.
Stattliche 700 Unikate von 28 jungen, aber auch bereits bekannten zeitgenössischen Künstlern zählen zum Portfolio von Ask for Art. Wie bei Kunstausleih oder Artrent können viele Werke auf der Website oder live in einer Ausstellung ausgewählt werden. Wer ein verfügbares Bild mieten möchte, kann online eine Anfrage starten. Mit einer Jahresmiete von 10 Prozent des Verkaufspreises liegt Ask for Art preislich eher am unteren Ende. Wer unsicher ist, welches Bild am besten in seine Räumlichkeiten passt, kann sich eine Auswahl heimbringen lassen. Ein Team der Kunstvermietung hilft vor Ort bei Auswahl und Platzierung des Werks.
Kunst für jedermann
Weniger komfortabel, dafür aber noch günstiger, ist das Ausleihen in der Artothek des Kunstseminars in Luzern. Die Kollektion umfasst rund 150 Bilder von 16 Künstlerinnen und Künstlern aus der Schweiz, Tschechien und den USA. Die Werke sind in einem Online-Katalog sowie in einem Nebenraum der Galerie zu sehen und können ab 20 Franken im Monat ausgeliehen werden. Für noch weniger Geld lässt sich die Wohnung mithilfe der Artothek der Gemeindebibliothek in Meggen LU kunstvoll bestücken. 70 Bilder, Fotografien oder Skulpturen können hier für 30 Franken pro Halbjahr vorbestellt oder gleich – gerahmt und verpackt – mit nach Hause genommen werden. Wer keinen Internetzugang hat, schaut die Kunstwerke vor Ort in einem Ordner an.
Was aber tun, wenn man vor dem Mieten neuer Kunst die alten Bilder loswerden muss? «eBay und Ricardo sind die besten Wieder-Verkaufsadressen für zeitgenössische Kunst», sagt Erika Burki von Ask for Art. In einer Internet-Auktion könne man ihrer Erfahrung nach einen guten Preis erzielen – aber auch der liege vermutlich nicht über dem Ankaufswert.
Gut zu wissen
In der Regel haftet der Mieter für Beschädigungen oder Diebstahl. Es empfiehlt sich, die Deckung durch Privathaftpflicht- oder Hausratversicherung zu prüfen.