Die «Schöne» bestärkt einen frauenfeindlichen Cavaliere in seinen Ansichten – mit einem absonderlichen Effekt: «Sie sind die erste Frau, mit der ich mich verstehen könnte», sagt der Cavaliere verdutzt. Die «Schöne» heisst Mirandolina und ist die so energische wie liebenswürdige Wirtin einer Herberge, gespielt von Bigna Körner.
Bei der Probe dominiert die Ostschweizer Schaupielerin in ihrem blauen Kleid mit roten Tupfen und einem grossartigen Schweif die kleine Bühne im Wasserschloss Hagenwil unweit von Amriswil. Immer wieder stellt sie den anmassenden Cavaliere in den Senkel, sodass dessen Weltbild nach und nach ins Wanken gerät. Befördert vom Wein, den ihm Mirandolina reichlich nachgiesst.
Ein 300-jähriges Stück über eine starke Frau
Auf dem Thurgauer Schloss gibt ein Ensemble jeden Sommer eine Freilichtaufführung. Dieses Jahr eben die «Mirandolina», ein Stück in der Tradition der italienischen Commedia dell’Arte. Der Venezianer Carlo Goldoni hat das Stück Mitte des 18. Jahrhunderts geschrieben, die Hagenwiler Inszenierung verlegt es in die späten 1960er-Jahre.
Bigna Körner sitzt zum Gespräch an einem Holztisch im Schlosshof und sagt: «Ich liebe diese Rolle, weil ich eine selbstbewusste, emanzipierte und humorvolle Frau spielen darf, die sehr genau weiss, was sie will.» Sie selbst sei ebenfalls eine Frohnatur, sagt sie lachend, als sei ihr Lebensalltag nichts als Schwank. Allerdings habe das Stück seine Tücken: «Etwas vom Wichtigsten bei einer Komödie ist das Timing, andernfalls ziehen die Pointen nicht», sagt sie.
Körner ist überzeugt, dass «Mirandolina», obwohl vor fast 300 Jahren geschrieben, aktuell ist: «Die Wirtin hat das Gasthaus geerbt und will zeigen, dass sie es zu führen versteht.» Die Herzen der Männer fliegen ihr zu, was sie knallhart ausnutzt – nicht nur beim Cavaliere.
Bekannt aus «Bestatter» und «Traumfrau Mutter»
Für Körner passt die Komödie perfekt in diesen Sommer: «Nach einem Krisenjahr ohne Seelenfutter muss man im Ausgang etwas zu lachen haben.» In der Pandemie blieben 2020 die meisten Engagements aus. Sie nutzte die freie Zeit zum Segeln mit der Familie auf dem Bodensee. Die 47-Jährige ist in Wil SG aufgewachsen, wo sie heute wieder lebt. Sie liess sich in München zur Schauspielerin ausbilden, arbeitete auf Bühnen in München, Basel und Winterthur. Sie ging mit «Das Zelt» auf Tournee, wo sie im Erfolgsstück «Traumfrau Mutter» mitspielte. Neben der Bühne arbeitet sie für Film und Fernsehen, etwa in Serien wie «Der Bestatter» oder im Spielfilm «Zwiespalt» von Barbara Kulcsar. Doch genug erzählt. Bigna Körner muss wieder zur Probe auf die Bühne. Der Cavaliere wartet nur darauf, sein Fett abzukriegen.
Mirandolina
Bis Sa, 4.9., 20.30
Schlossfestspiele Hagenwil TG
www.schlossfestspiele-hagenwil.ch
Bigna Körners Kulturtipps
Buch
Marie Benedict: Frau Einstein (Kiepenheuer & Witsch)
«Die Biografie von Einsteins erster Frau Mileva Maric, welche die Relativitätstheorie wesentlich prägte, aber vergessen gegangen ist.»
Fernsehserie
Outer Banks (Netflix, 2. Staffel)
«Eine spannende Abenteuerserie über Jugendliche auf einer US-amerikanischen Insel, die auf der Suche nach einem sagenumwobenen Schatz sind.»
CD
Annett Louisan: Das optimale Leben (Sony 2017)
«Die deutsche Sängerin besticht mit ihren witzigen und vor allem selbstironischen Chansons. Sehr erfrischend.»