Bienen-Trost in traurigen Zeiten
Der Berner Regisseur Mano Khalil erzählt in «Der Imker» die unglaubliche Geschichte des kurdischen Flüchtlings Ibrahim Gezer. Der Dokumentarfilm handelt vom Träumen und vom realen Leiden. Und von der Kraft der Hoffnung.
Inhalt
Kulturtipp 12/2013
Urs Hangartner
Der Kurde Ibrahim Gezer hat es mit sympathischer Schlitzohrigkeit geschafft, zu Bienen zu kommen. In der Schweiz, wo er als Flüchtling lebt, bekam er das Angebot, zwei Völker für 2000 Franken zu erwerben. Dafür wollte ihm seine Wohngemeinde den nötigen Betrag aber nicht gewähren. So fragte er nach einem Vorschuss, um Möbel zu kaufen. «Mit diesem Geld habe ich die Bienen gekauft», erzählt er. Vom basellandschaftlichen Laufen fä...
Der Kurde Ibrahim Gezer hat es mit sympathischer Schlitzohrigkeit geschafft, zu Bienen zu kommen. In der Schweiz, wo er als Flüchtling lebt, bekam er das Angebot, zwei Völker für 2000 Franken zu erwerben. Dafür wollte ihm seine Wohngemeinde den nötigen Betrag aber nicht gewähren. So fragte er nach einem Vorschuss, um Möbel zu kaufen. «Mit diesem Geld habe ich die Bienen gekauft», erzählt er. Vom basellandschaftlichen Laufen fährt er fortan regelmässig mit dem Zug ins Urnerland zu seinen zwei Imker-Plätzen.
Doch Ibrahim Gezer muss arbeiten. Man zwingt ihn in ein Beschäftigungsprogramm, das ihm die Arbeitsvermittlung mit den Worten: «Es hat ja auch etwas mit Honig zu tun», schmackhaft macht. In einem Integrations-Betrieb packt Ibrahim nun Ricola-Bonbons ab.
Suche nach Harmonie
In dieser für ihn deprimierenden Lage taucht ein unerwarteter Hoffnungsschimmer auf: In seinen Papieren kursieren zwei Geburtsdaten. Das richtige kann ermittelt werden – Ibrahim ist pensioniert und keine fünf Jahre jünger wie bisher angenommen.
Etwas ist Ibrahim im Leben nicht gelungen: «Ich wollte meine Familie immer so ordnen, wie ich es für meine Bienen wollte: harmonisch.» Die Bienen bieten ihm Trost in schweren Zeiten. In der Schweiz, so sagt er, «fühle ich mich wie lebendig begraben». Nach Hause, in die Türkei, kann er nicht mehr. Von da ist er geflohen. Vertrieben als unschuldiges Opfer von Sippenhaftung. Daheim war Ibrahim ein erfolgreicher Profi-Imker, der pro Jahr mit seinen gut 500 Bienenvölkern 10 bis 18 Tonnen Honig produzierte. Bis die Armee alle seine Bienen vernichtete. In das moderne Haus, das Ibrahim für seine Familie baute, konnte er nicht mehr einziehen. Sieben Jahre versteckte er sich in den Bergen. Denn sein Sohn Ali kämpfte bei der Untergrundorganisation PKK für die Sache der Kurden. Eine von Ibrahims Töchtern war schon im Kampf umgekommen. Seine Ehefrau hatte sich in Istanbul aus Gram aus dem Fenster gestürzt.
Und während der Dreharbeiten zum Film stirbt auch Sohn Ali. In der kurdischen Zeitung findet sich unter den Bildern von Getöteten eines von ihm.
Traum vom Paradies
Der Berner Regisseur Mano Khalil («Unser Garten Eden») porträtiert den kurdischen Flüchtling Ibrahim und erzählt seine unglaubliche Geschichte, von Flucht, Vertreibung, Asyl, von einem Leben, in dem viel menschliches Leid steckt. Vor der Kamera erleben wir einen zwar traurigen, aber nicht gebrochenen alten Mann, der seinen Traum vom Paradies hochhält. Das Paradies, das ist ihm die Natur. Sie und seine Bienen helfen ihm weiterhin über so manches Elend, das ihn umgibt, hinweg.
«Der Imker» wurde im Januar in Solothurn mit dem «Prix de Soleure» ausgezeichnet. Der Preis ging an einen Film, der laut Reglement Humanismus vermittelt, als «eine Weltanschauung, die sich an den Interessen, den Werten und der Würde des einzelnen, individuellen Menschen orientiert».
Der Imker.
Die unglaubliche Geschichte von Ibrahim Gezer
Regie: Mano Khalil
Ab Do, 6.6., im Kino