«Biedermanns.umgezogen» Bühnensatire statt Islamdebatte
Gisela Widmer thematisiert in ihrem neuen Theaterstück «Biedermanns.umgezogen» den Umgang linksliberaler Kreise mit dem Islam.
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Kulturtipp 06/2011
Marco Guetg
Es gibt eine Initialzündung zu diesem Stück. Gisela Widmer (52) formuliert das bei einem Besuch in Luzern so: «Es war die innerlinke Nicht-Debatte im Vorfeld der Anti-Minarett-Initiative.» Was sie dabei besonders in Rage versetzt hat, war die «Tabuisierung eines Themas» innerhalb jener Kreise, denen sie sich politisch nahe fühlt. Und dies aus purer Angst, als islamfeindlich zu gelten. Eine «intelligente Debatte von links» habe aber nicht...
Es gibt eine Initialzündung zu diesem Stück. Gisela Widmer (52) formuliert das bei einem Besuch in Luzern so: «Es war die innerlinke Nicht-Debatte im Vorfeld der Anti-Minarett-Initiative.» Was sie dabei besonders in Rage versetzt hat, war die «Tabuisierung eines Themas» innerhalb jener Kreise, denen sie sich politisch nahe fühlt. Und dies aus purer Angst, als islamfeindlich zu gelten. Eine «intelligente Debatte von links» habe aber nicht stattgefunden, und so sei «das Thema Islam den Scharfmachern von rechts überlassen worden».
Mit ihrer satirischen Zuspitzung hat Widmer nun einen theatralen Kontrapunkt gesetzt. Angelehnt ist ihr Stück, das am 19. März am Luzerner Theater uraufgeführt wird, an Max Frischs «Biedermann und die Brandstifter». Frischs Sprache in diesem Bühnenklassiker hat Gisela Widmer fasziniert: Eine Sprache, «die nicht der Darstellung eines Sachverhaltes, sondern der Verstellung dient». Dieses latente Gefühl der Bedrohung werde daher in ihrem Stück als «grosser Bogen» mitschwingen.
Eine Frisch-Adaption ist ihr Stück aber nicht. Nur etwa ein Prozent des Textes ist Originalton, den Rest dazu hat Gisela Widmer geschrieben – was so auch nicht ganz richtig ist, wie sie verrät. Denn rund sechzig Prozent der Dialoge hat sie aus der Integrations-, der Konvertiten- und der feministischen Literatur übernommen.
Brandgefährlich
Im ersten Akt dieser satirischen Collage tritt das Ehepaar Babette und Gottlieb Biedermann auf. Sie unterrichtet Deutsch für Fremdsprachige, er engagiert sich für den Umweltschutz. Ein linksliberales Ehepaar, nach 20 Jahren Beziehung von der Banalität des Alltags eingeholt, bis sich eines Tages alles zu ändern beginnt.
Die Irritation kommt von aussen. Ein Schüler schimpft Babette eine Kafira, eine Gottesleugnerin. Dann taucht Gottliebs Bruder Thomas auf, der bei ihnen unterkommen möchte. Babette und Gottlieb sagen widerwillig zu. Und als Thomas ihnen offenbart, dass er zum Islam übergetreten ist und nun Abdul Qadir heisst, nimmt das Unheil – stets von kommentierenden Einsprengseln eines Feuerwehrmanns unterbrochen – seinen Verlauf.
Thomas breitet sich immer mehr aus. Er schleppt mehrere Koffer in die Wohnung (was wohl drin ist? Bomben?), seine Argumentation wird zunehmend fundamentalistischer. Gottlieb, der Verständnisvolle, kuscht. Nur Babette widersetzt sich. Sie begehrt auf, steigert sich in einen Furor, sagt Abdul Qadir, was bei ihr und bei ihm Sache ist («Hier ist Aufklärung, und da ist Rückständigkeit»), und holt zum vernichtenden Schlag gegen ihren harmoniesüchtigen Ehemann aus: «Du Floskeldrescher! Kuschelrhetoriker!» Bei Max Frisch brennt am Schluss das Haus. Hier die Beziehung.
Ihr Textbuch hat Gisela Widmer aus den Händen gegeben (Regie: Hannes Rudolph). Eine Probe hat sie bereits besucht und ist davon ganz angetan. «Es wird beklemmend und unglaublich lustig, genau so, wie ich es mir vorgestellt habe.» Doch Gisela Widmer ist auch ein mulmiges Gefühl anzumerken. Ein bisschen fürchtet sie schon die Geister, die sie rief.