Ein Klick genügt, und die Welt der E-Books breitet sich aus. Covers von Krimis, Liebesromanen und Biografien präsentieren sich in der virtuellen Auslage in Reih und Glied auf dem Bildschirm. Ausleihen lassen sich die Werke problemlos aus der Ferne: Sei es während der Ferien im Strandhotel oder zu Hause auf dem Sofa. Was es braucht, ist ein Internetanschluss, ein Bibliotheksabo sowie PC, E-Book-Reader, Smartphone oder Laptop.
Erst einmal schmökern? Auch das ist möglich. Dazu klickt der Nutzer auf «Leseprobe» und verschafft sich anhand der Vorschauseiten einen Eindruck über ein Buch, bevor er zur Ausleihe schreitet.
Bücher aus der virtuellen Bibliothek herunterzuladen, ist in der Schweiz beliebter denn je. Über zwei Millionen Ausleihen von knapp 80 000 Nutzerinnen und Nutzern registrierte letztes Jahr der SBD Bibliotheksservice Bern, der Bibliotheken in der Schweiz zum elektronischen Ausleihdienst verhilft. Landesweit bieten inzwischen mehr als 320 Bibliotheken die sogenannte «Onleihe» an – die meisten über einen Verbund.
Die Kunden lesen vor allem Romane online
Der grösste und mit seinen zehn Jahren älteste von sieben Schweizer Verbünden ist die Digitale Bibliothek Ostschweiz (Dibiost). Dazu gehören 184 Bibliotheken in sechs Kantonen sowie dem Fürstentum Liechtenstein. Eine davon ist die Stadtbibliothek Wil SG. «Die Nachfrage nach digitalen Medien steigt bei unseren Nutzerinnen und Nutzern seit Jahren», sagt Co-Leiterin Barbara Sager. 2017 haben diese auf Dibiost 15 000 Downloads getätigt – zehn Mal mehr als 2011. Beliebt sind vor allem Romane – vom Krimi bis zur Liebesgeschichte.
Auch die Pestalozzi-Bibliothek Zürich (PBZ) registriert bei den Ausleihen übers Internet grösstenteils belletristische Werke. «Sachbücher mit Grafiken, Bildern und Karten sind für die Onleihe weniger geeignet», sagt Felix Hüppi, Chefbibliothekar und Verantwortlicher für die E-Medien. Zum Beispiel Reiseführer: «Diese lassen sich in physischer Form besser handhaben.»
Ansonsten bevorzuge ein Teil der Kundschaft gerade in der Ferienzeit vermehrt digitale Medien. Überhaupt ist die PBZ mit ihren 14 Bibliotheken in der Stadt Zürich ein klares Beispiel für den Onleihe-Trend. Felix Hüppi sagt: «Momentan nimmt bei uns die digitale Ausleihe zu und die physische ab.» Die PBZ bietet seit März sogar eine Onleihe-Karte für 30 Franken im Jahr für all jene an, die nur das digitale Angebot nutzen wollen.
Populär bei Frauen im mittleren Alter
In ländlich geprägten Gegenden spielt der persönliche Kundenkontakt nach wie vor eine wichtige Rolle. Bei der Regionalbibliothek Langnau im Emmental steigen die physischen Ausleihen Jahr für Jahr. «Bei den digitalen Ausleihen bilden wir das Schlusslicht der Regionalbibliotheken im Kanton Bern», sagt Bibliotheksleiterin Barbara Dürst. Das liege unter anderem daran, dass Langnau im Emmental ein Zentrum sei, wo man zum Einkaufen hinkomme und gleich noch einen Besuch in der Bibliothek einplane. Dennoch: Auch hier nimmt die Nachfrage nach digitalen Medien zu. Inzwischen sind mit 600 von 4300 Kundenkarten Ausleihen über das Internet getätigt worden. Ein Grossteil nutze E-Books und Co. zusätzlich zu den Printmedien, wie Barbara Dürst sagt. «Etwa zum Pendeln.» Vor allem bei Frauen im mittleren Alter sei die Onleihe beliebt.
Verdrängen virtuelle Bibliotheken mit ihrem wachsenden Angebot die klassischen Bibliotheken und das gedruckte Buch? «Nein», lautet der Tenor bei den Befragten. Die Onleihe sei zwar eine gute Ergänzung, habe aber Grenzen. Nicht jeder Roman landet automatisch im digitalen Regal. Der Grund: Dazu braucht es Lizenzen. «Wir können jedes gedruckte Buch, das erhältlich ist, in der Bibliothek anbieten – ein digitales Buch aber erst nach zum Teil langwierigen Verhandlungen mit den Verlagen», sagt Barbara Dürst. Dass Bibliotheken irgendwann nur noch im Internet existieren, glaubt sie nicht. Im Gegenteil: «Bibliotheken sind Orte der Begegnung, und das Bedürfnis danach wird in unserer zunehmend digitalisierten Welt wachsen.»
Auch bei der Pestalozzi-Bibliothek ist man trotz Rückgang bei den physischen Ausleihen nicht besorgt. «Wir sind keine reine Büchertankstelle, sondern bieten auch eine Plattform für Leseförderung und Austausch», sagt PBZ-Chefbibliothekar Felix Hüppi.
Das gedruckte Buch wird nicht verschwinden
Für Barbara Sager, Co-Leiterin der Stadtbibliothek Wil, steht fest: «Das digitale Angebot gewinnt an Raum.» Doch das Buch zum «Begreifen» werde es weiterhin geben. Nicht zuletzt für Kinder. «Sie schätzen es nach wie vor, zusammen mit den Eltern Bilderbücher anzuschauen, diese in den Händen zu halten, zu ertasten und darin zu blättern.» Felix Hüppi ist überzeugt, dass das gedruckte Buch in 100 Jahren noch existiert. «Lesen auf Papier bietet schlicht ein sinnliches Vergnügen», sagt er. Zudem seien viele Bücher Kunstwerke. «Diese Kunst wird fortbestehen.»
Unkomplizierte Ausleihe mit App
Bei der Online-Ausleihe kann man im Internet E-Books, Hörbücher, Zeitschriften, Musik und Filme über die Webseite des jeweiligen Bibliothekverbunds herunterladen. Noch einfacher geht es mit der App «Onleihe». Sie ermöglicht es, E-Medien auf dem Smartphone oder Tablet zu suchen, herunterzuladen und auf dem integrierten Mediaplayer direkt wiederzugeben. Je nach Bibliothek respektive Verbund kann ein Bibliothekskunde die Ausleihfrist selbst festlegen. Nach Ablauf der Frist lässt sich das Medium nicht mehr öffnen, die Lizenz für die Nutzung läuft automatisch ab. Man kann das Medium aber auch vorzeitig zurückgeben. Somit verkürzen sich die Wartezeiten für andere, die daran interessiert sind.