Auf dieses Buch hat die Welt nicht gewartet. Manchen wird die Gesprächs-Paarung auch arg erzwungen erscheinen: da der 72-jährige stille Schaffer Martin Suter, dort der 45-jährige Ex­tremplauderer Benjamin von Stuckrad-Barre. Doch wer einmal angefangen hat mit lesen, legt das Buch kaum mehr weg. Denn gerade der Umstand, dass man hier keine sorgfältig geschriebene und lektorierte Literatur präsentiert bekommt, sondern das Transkript von 16 Spon­tangesprächen, hat seinen Reiz.

Die beiden Profi-Beobachter unterhalten sich buchstäblich «über Gott und die Welt», über Bademode und Hochzeiten, über Musik und Kunst, über Drogen und Liebe. Und dies tun sie nicht nur plauderhaft, sondern sprachverliebt und wortgewitzt. Sich als stiller Zuhörer darin einzuklinken, macht Spass.

Wobei die Kapitel von unterschiedlicher Qualität und Relevanz sind. Irrwitzig originell ist jenes Gespräch, das die beiden mit dem Sprach-Computer Siri führen, zum Gähnen langweilig dagegen ein Schlagabtausch über die unterschiedliche Handhabung von zu bezahlenden Rechnungen. Doch just bei solchen Alltäglichkeiten ertappt sich der Leser als Voyeur, weil er mit Details aus dem Privatleben gerade von Martin Suter bedient wird.

Dieses Buch ist Geschmacksache. Manche werden kaum Zugang finden. Andern kann es ein ödes langes Wochenende verkürzen.

Buch
Martin Suter, Benjamin von Stuckrad-Barre 
Alle sind so ernst geworden
272 Seiten
(Diogenes 2020)