Bestseller: Im Zentrum der Macht
Kann man Wladimir Putin erklären? Ein Roman über dessen Berater liefert wertvolle Einsichten.
Inhalt
Kulturtipp 07/2023
Hans Jürg Zinsli
«Welche Rolle spielte Baranow im Krieg gegen die Ukraine?» Die Machtfrage treibt Giuliano da Empoli in seinem Romandebüt von Anfang an um. «Der Magier im Kreml» des in Paris lebenden schweizerisch-italienischen Politologen erschien kurz nach Ausbruch des Kriegs in der Ukraine auf Französisch, und die zentrale Figur darin heisst Vadim Baranow, der ein reales Vorbild hat: Wladislaw Surkow war der langjährige Chefideologe von Wladimir Putin.
Verpa...
«Welche Rolle spielte Baranow im Krieg gegen die Ukraine?» Die Machtfrage treibt Giuliano da Empoli in seinem Romandebüt von Anfang an um. «Der Magier im Kreml» des in Paris lebenden schweizerisch-italienischen Politologen erschien kurz nach Ausbruch des Kriegs in der Ukraine auf Französisch, und die zentrale Figur darin heisst Vadim Baranow, der ein reales Vorbild hat: Wladislaw Surkow war der langjährige Chefideologe von Wladimir Putin.
Verpackt in eine etwas ungelenke Rahmenhandlung, lässt der Autor Baranow aus dessen Landsitz referieren – beginnend mit der Ära Boris Jelzin, als der postsowjetische Raubtierkapitalismus das Leben von 300 Millionen Menschen umkrempelte: «Sie waren in einer Heimat aufgewachsen und fanden sich plötzlich in einem Supermarkt wieder.»
Auf faszinierende Art führt da Empoli die Fäden zusammen – am stringentesten, als sich bei der Suche nach einem Jelzin-Nachfolger eine vermeintliche Oligarchen-Marionette als Mastermind entpuppt: Es ist Putin, der seine politische Autorität mit orchestriertem Chaos und Gewalt festigt. Oder wie es Baranow formuliert: «Der asketische Funktionär hatte sich unvermittelt in einen Erzengel des Todes verwandelt.»
Da Empoli kennt sich aus mit solchen Mechanismen: Er selbst war Berater des italienischen Ex-Ministerpräsidenten Matteo Renzi. Dass er sich nun mit Russland befasst, kam indes nicht überall gut an. Er repliziere «die abgedroschensten Vorurteile über ein Land, das er nur aus der Ferne entschlüsselt», monierte die NZZ.
Tatsächlich liefert er aber mehr: Er durchleuchtet die Denkweise der russischen Elite, seziert den Putinismus und bietet ein mehrdeutiges Kom- pendium des schockgefrorenen Schreckens.
Lesungen
Do, 30.3., 20.30 Pala Cinema Locarno TI
Sa, 1.4., 17.00 Monte Verità (Gespräch: «Die Literatur und das Böse»)
Buch
Giuliano da Empoli- Der Magier im Kreml
Aus dem Französischen von Michaela Messner
265 Seiten (C. H. Beck 2023)