Bestseller: Im Abschied nahe
Melitta Brezniks neues Buch «Mutter» ist eine aufwühlende Lektüre über Tod und Trauer.
Inhalt
Kulturtipp 04/2021
Sonja Harter, APA
Mit ihrem Werk legt Melitta Breznik eine zutiefst persönliche «Chronik eines Abschieds» vor, in der sie vom langen Sterben ihrer Mutter erzählt. Sie verwebt dabei in einer Art Kammerspiel im Präsens gehaltene Szenen der Pflege mit Erinnerungen aus der Vergangenheit. Breznik zeichnet so ein Bild einer Familie mit all ihren Wunden und Narben, die angesichts des nahenden Todes aufzubrechen drohen.
Die Erinnerungen reichen bis in die Kleinkinderzeit der &...
Mit ihrem Werk legt Melitta Breznik eine zutiefst persönliche «Chronik eines Abschieds» vor, in der sie vom langen Sterben ihrer Mutter erzählt. Sie verwebt dabei in einer Art Kammerspiel im Präsens gehaltene Szenen der Pflege mit Erinnerungen aus der Vergangenheit. Breznik zeichnet so ein Bild einer Familie mit all ihren Wunden und Narben, die angesichts des nahenden Todes aufzubrechen drohen.
Die Erinnerungen reichen bis in die Kleinkinderzeit der österreichischen Autorin und Ärztin, die heute in Graubünden lebt. Sie greifen aber auch darüber hinaus und thematisieren die Zeit des Zweiten Weltkriegs, dessen Erschütterungen weit in die Familienstruktur der Nachkriegszeit hineingewirkt haben.
Im Vordergrund steht die Innenschau einer kinderlos gebliebenen Frau, die sich fernab der Heimat mit der nötigen Distanz eingerichtet hat. Eine Distanz, die nun in ihr Gegenteil umschlägt: «Wir leben hier in Mutters Wohnung wie auf einem eigenen Planeten, abgeschottet von der Welt.» Als Ärztin fachlich imstande, die Sterbende zu begleiten, geht Breznik als Tochter durch emotionale Krisen. In ihrer Schilderung gelingt es ihr, den eigenen Veränderungsprozess zu reflektieren.
Wer bereits selbst in der Situation war, Verwandte beim Sterben zu begleiten, wird sich in vielen Darstellungen wiederfinden. Die Autorin geht auf die Gleichzeitigkeit von Fürsorgebedürfnis und absoluter Überforderung ein, ohne um Mitleid zu heischen. Und somit wird «Mutter» zu einer aufwühlenden Lektüre, die man dennoch nicht missen möchte.
Mutter – Chronik eines Abschieds
Melitta Breznik
160 Seiten
(Luchterhand 2020)