Jedes seiner bisherigen Bücher war ein Ereignis. Christian Kracht ist nicht nur ein begnadeter Schreiber, sondern auch ein cleverer Marketingmensch, der seine Leserschaft stets zu überraschen, zuweilen auch zu pro­vozieren vermag. Auch mit ­«Eurotrash» sorgt der weltgewandte Berner Oberländer für Aufsehen. Der neue Roman wird als Fortsetzung seines Debüts «Faserland» von 1995 postuliert. Tatsächlich begibt sich der Ich-Erzähler wie in «Faserland» auf eine Reise, deren Eindrücke er zum Sittenbild der Gegenwart collagiert. Die neuerliche Reise führt aber nicht durch Deutschland, sondern durch die Schweiz, das «Ich» heisst nun Christian Kracht und wird begleitet von seiner kranken Mutter.

Die «Eurotrash»-Tour hat ihre besonderen Tücken. Von Zürich gehts nach Saanen, wo Kracht – als Autor wie Protagonist – 1966 geboren wurde, und damit in die eigene Vergangenheit. Mithilfe der dauerbetrunkenen und schleichend dementen Mutter unternimmt er gewagte Versuche der Selbsterkundung. Dabei haben es Mutter und Sohn oft auch sehr lustig, etwa wenn sie mit dem Widerspruch von Realität und Fiktion spielen. «Wie können wir denn gleichzeitig echt sein und erfunden?», fragen sie sich angesichts ihrer literarischen Präsenz. Solcherart Kippmomente prägen das Buch. Auch dann, wenn in Kracht zunehmend Erinnerungen aufkeimen, jene der Mutter aber verblassen. «Eurotrash» ist im Wesentlichen der Versuch eines Abschiednehmens von Zeiten und Menschen.

Christian Kracht
Eurotrash
210 Seiten
(Kiepenheuer & Witsch 2021)