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Über 30 Jahre lang hat Donna Leon in Venedig gelebt. Dann wurden ihr die Italiener zu bunt. In einem Interview titulierte sie diese kürzlich als «Chaoten» und begründete damit ihren Umzug in die Schweiz. Was die 78-jährige US-Autorin aber nicht daran hindert, ihren 1992 erfundenen Commissario Brunetti zum 30. Mal ermitteln zu lassen.
Wie gewohnt, flanieren die Leser mit diesem durch Gassen, Kanäle und über die Piazze von Dorsoduro bis Castello, von Cannaregio bis San Marco. Sehr oft setzt Brunetti dieses Mal zur Insel Giudecca über. Er hat einen Fall ohne Leiche zu lösen: Zwei US-Touristinnen wurden bei einem Bootsunfall verletzt. Der Bootsführer und sein Freund sind geständig. Brunetti aber wittert mehr und stösst auf eine haarsträubende Geschichte mafiösen Ausmasses mit mehreren Toten. Zur Aufklärung spannt er mit einem Capitano der Guardia Costiera zusammen, der Showdown führt die beiden hinaus auf die offene Adria.
«Flüchtiges Begehren» liest sich so süffig wie alle 29 Vorgänger. Im Mittelteil, als Brunettis Ermittlungen stocken, gibt es aber Längen, die Leon mit allzu vielen Anspielungen auf aktuelle Probleme Venedigs füllt, wie die Gentrifizierung alter Quartiere oder die Folgen des Kreuzfahrt-Tourismus. Seltsam: Sie erwähnt auch mehrmals die Corona-Pandemie, lässt ihre Figuren aber wacker Hände schütteln oder sich umarmen. So wirkt das Geschehen wie aus der Zeit gefallen, was beim Lesen irritiert. Brunetti-Fans aber werden schwelgen bei der Lektüre, und Fernweh-Venezianer freuen sich auf einen nächsten Besuch in der Lagune.
Donna Leon
Flüchtiges Begehren
Aus dem US-Amerikanischen von Werner Schmitz
320 Seiten
(Diogenes 2021)
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