Selbst wenn ein gross besetztes Sinfonieorchester spielt – das Publikum konzentriert sich auf den Solisten: In einem Instrumentalkonzert ist die Musik in ihrer kompositorischen Struktur meist auf den Solopart ausgerichtet; er soll im Zentrum stehen. Zudem sind Solisten oft Einzelgänger, treten fast nie im Kollektiv und häufig ohne Orchester auf, ihnen wird besondere Beachtung geschenkt. An Solisten wird für die Mehrheit des Publikums erkennbar, welche handwerklichen, künstlerischen und auch emotionalen Höchstleistungen Musiker erbringen müssen.
Zudem eröffnet jeder Solist – als künstlerisch unverwechselbare Persönlichkeit – einen neuen, persönlichen Blick auf ein scheinbar bekanntes Werk. Das ermöglicht selbst einem etablierten Publikum neue, einzigartige Erlebnisse. Wie der Spitzensport braucht die Ausbildung von Solisten jedoch eine nachhaltige Förderung. Diese ist anspruchsvoll, komplex und aufwendig.
Junge Musiker werden heute wesentlich fundierter ausgebildet, als das früher der Fall war. In der Regel bringen sie stilistisch vielfältige Kenntnisse mit, sind idealerweise sogar mit Variant-Instrumenten vertraut, ein Pianist etwa mit dem Hammerflügel. Sie bringen kammermusikalische Erfahrungen mit und sind in theoretischen Fächern bestens gerüstet. Die musikalische Ausbildung hat sich insgesamt also verbessert – die Marktsituation in der Musikwelt hingegen verschlechtert. Zwar ist das Angebot an Konzerten stets gewachsen, doch die Ansprüche der Branche wurden enorm vielschichtig, sodass es sehr viel braucht, um sich nachhaltig durchzusetzen. Die angespannte Finanzlage der öffentlichen Hand und die komplexen Abhängigkeiten vieler Kulturinstitutionen führen zu einer eher abwartenden Haltung gegenüber künstlerischem Nachwuchs.
Selbsterkenntnis
Ein junger Solist tut gut daran, früh schon ein Sensorium für selbstkritische Fragen zu entwickeln: Wo stehe ich, wo will ich hin, was muss ich machen, um mein Ziel zu erreichen? Denn Talent, seriöse musikalische Arbeit und Ehrgeiz allein genügen nicht; viel Selbsterkenntnis ist gefragt, ebenso wie Realitätssinn, Gleichmut und das Bewusstsein, dass ohne Glück oft nicht ans Ziel zu gelangen ist.
So ist es spannend zu beobachten, wie Solisten die Möglichkeiten des Austauschs mit grossen Dirigenten und erfahrenen Musikern nutzen, und wie sie damit umgehen. Im Idealfall wirken solche Begegnung für einen jungen Künstler wie ein Spiegel, in dem er seine eigenen Fähigkeiten und Ansichten sieht – darauf sollte in der musikalischen Ausbildung und in der Talentförderung mehr Wert gelegt werden.
Für eine Karriere braucht es – neben Ausnahmetalent und konstanten Höchstleistungen – Geduld, Kraft und Konsequenz. Zudem gehört heute zur Karriereplanung ein Netzwerk aus Veranstaltern, Dirigenten, Intendanten und Geldgeberkreisen wie Fachjournalisten, Konzertagenturen, Produzenten aus der Tonträgerindustrie oder Radioredaktionen. Sie müssen das Interesse auf ein nachwachsendes Jungtalent lenken. Übrigens, hatte sich nicht bereits Felix Mendelssohn täglich ein paar Stunden solcher «Korrespondenzarbeit» gewidmet? Und was war das anderes als Netzwerkarbeit?
Young Soloists on Stage
So, 30.8.–Sa, 12.9.
Tonhalle Zürich
Infos: www.orpheum.ch
Orpheum Stiftung
Die Zürcher Orpheum Stiftung hat sich seit ihrer Gründung 1990 die Förderung junger musikalischer Talente aufs Banner geschrieben. Sie will jungen Solisten eine Chance geben, denen massgebende Dirigenten oder erfahrene Instrumentalisten alle Voraussetzungen für eine internationale Karriere zubilligen, die jedoch diesen Karrieredurchbruch bislang noch nicht geschafft haben.
Die Orpheum Stiftung veranstaltet keine Wettbewerbe und richtet keine Stipendien aus. Sie will vielversprechenden Künstlerinnen und Künstlern einen Auftritt auf höchstem Niveau ermöglichen – in einem hervorragenden Konzertsaal mit einem bedeutenden Orchester und einem berühmten Dirigenten. Während bei Wettbewerben eine Jury die Einzelleistung eines Musikers in einem bestimmten Moment beurteilen muss, setzt die Orpheum Stiftung auf ein Kuratorium.
Die Kuratoren können einen hochtalentierten Künstler auf einer breiteren Basis von Erfahrungen empfehlen. Sie hören ihn mehrmals im Konzert und mit mehreren Werken. Bei einem privaten Vorspiel und damit zusammenhängenden Gesprächen lernen sie ihn allenfalls kennen. Sie klären ab, ob ein junger Solist über die Charaktereigenschaften verfügt, die für eine Karriere nötig sind. Auch Künstleragenturen können im Sinne einer Bewerbung Musiker vorschlagen. Dieses Verfahren – welches auch jungen Solistinnen und Solisten in eigener Sache offensteht – ist der zweite Weg, um bei der Orpheum Stiftung zur Förderung junger Künstler ins Spiel gebracht zu werden.
Thomas Pfiffner
Der 50-jährige Kulturmanager Thomas Pfiffner ist seit 2014 Geschäftsleiter der Zürcher Orpheum Stiftung. Davor
leitete er die Geschicke des Zürcher Kammerorchesters und war Intendant des Musikkollegiums Winterthur.