Bernard Senn - «Religion betrifft auch Agnostiker»
Der Radioredaktor und TV-Mitarbeiter Bernard Senn ist das Gesicht der SF-Kultursendung «Sternstunden».
Inhalt
Kulturtipp 02/2012
Letzte Aktualisierung:
12.11.2019
Claudine Gaibrois
Bernard Senn schlägt ein Treffen in seinem Haus im Basler Bachlettenquartier vor. Die Journalistin privat zu empfangen, macht ihm nichts aus. Mittlerweile hat er sich daran gewöhnt, eine öffentliche Person zu sein. Senn unterschätzte, wie sehr er das sein würde, als er vor sechs Jahren als Moderator beim Schweizer Fernsehen begann. «Wer schaut schon eine Kultursendung am Sonntagmorgen?», dachte er seinerzeit. Er habe erst lernen müssen, damit umzugehe...
Bernard Senn schlägt ein Treffen in seinem Haus im Basler Bachlettenquartier vor. Die Journalistin privat zu empfangen, macht ihm nichts aus. Mittlerweile hat er sich daran gewöhnt, eine öffentliche Person zu sein. Senn unterschätzte, wie sehr er das sein würde, als er vor sechs Jahren als Moderator beim Schweizer Fernsehen begann. «Wer schaut schon eine Kultursendung am Sonntagmorgen?», dachte er seinerzeit. Er habe erst lernen müssen, damit umzugehen. «Ich bin eher der Typ, der in der zweiten Reihe steht.»
Senn mag seine Rolle als Moderator dennoch: «Ich arbeite gerne mit der Sprache, denke mich gern in Themen rein und überlege mir, wie ich sie ‹anmächelig› präsentieren kann.» Für den Inhalt der Sendung ist in der Regel nicht der Moderator zuständig, sondern die Redaktion. Er schmücke sich also in einem gewissen Sinn mit fremden Federn. Sonntags steht er übrigens nicht live vor der Kamera: «Die meisten Sendungen werden aufgezeichnet, auch die ‹Arena› beispielsweise.»
Spurensuche in Afrika
Das Angebot von SF kam seinerzeit überraschend. «Die Anfrage hat mich erstaunt, weil meine Hautfarbe irritiert.» Nachdem er den Job erhalten hatte, gab Senn dem «Blick» ein Interview. Er wählte die Boulevardzeitung, weil «es mir gefällt, eine Irritation zu schaffen». Denn «als gebildeter und eloquenter Mischling bin ich ein Beispiel dafür, dass nicht alles so ist, wie man auf den ersten Blick vielleicht vermuten würde».
Jahrelang lebte Bernard Senn im Glauben, sein afrikanischer Vater sei tot. Doch mit 30 reiste er nach Ghana und fand heraus, dass dieser noch lebt. «In zwei Wochen lief ein eigentlicher Krimi ab. Ich erfuhr, dass ich in Afrika elf Halb-Brüder und eine Halb-Schwester habe. Das war eine gewaltige, für meine Identität wichtige Erfahrung.» Gleichzeitig trägt er einen urschweizerischen Nachnamen. Seine Mutter heiratete nach seiner Geburt einen Schweizer, der den Jungen adoptierte. So wuchs der heute 45-Jährige in einem Handwerker-Haushalt in Basel auf.
Wanderjahre in Berlin
Nach der Schule zog es ihn fort. In Berlin studierte er «das tollste Fach, das es gibt» – vergleichende Religionswissenschaft. Senn selbst ist nicht gläubig, sagt aber: «Religion betrifft alle, auch die strengsten Agnostiker.» Ihn interessiere, «wie religiöse Muster und Bedürfnisse entstehen und worauf die Religion antwortet». Schliesslich sei «der Mensch mit der Übermacht der Natur konfrontiert, was ihn in Staunen und Schrecken versetzt».
In Berlin lernte er auch seine Frau kennen, eine US-Amerikanerin, mit der er zwei Söhne im Alter von 10 und 12 Jahren hat. Senn spricht mit seiner Frau Hochdeutsch – der gemeinsamen «Gefühlssprache» – und mit den Kindern Schweizerdeutsch. Seine Frau wiederum redet mit den Buben Englisch.
Über die Religionswissenschaften kam Senn zum Journalismus – zunächst bei einem Berliner Radiosender, danach bei DRS 2, das nach wie vor sein berufliches Standbein ist. Dort ist er für den «Hörpunkt» verantwortlich.