Benjamin von Stuckrad-Barre: Jung, hübsch, knick-knack, haha
Jetzt hat auch Popliterat Benjamin von Stuckrad-Barre seinen Me-Too-Roman geschrieben. Ein zweifelhafter Genuss.
Inhalt
Kulturtipp 11/2023
Hans Jürg Zinsli
Wenn dieser Autor ein Fluss wäre, dann wohl der Rhein. Erst vielfältig sprudelnd, später ins Korsett gepresst, zwischendurch der Rheinfall. Angesichts des Hypes um Benjamin von Stuckrad-Barres Roman «Noch wach?» tut man sich etwas schwer mit der darin aufgewärmten Medien- und Me-Too-Geschichte. «Noch wach?» ist im Kern eine deutsche Variante des Weinstein-Skandals, wobei der Autor den Roman im Chateau Marmont in Los Angeles beginnen lässt, wo e...
Wenn dieser Autor ein Fluss wäre, dann wohl der Rhein. Erst vielfältig sprudelnd, später ins Korsett gepresst, zwischendurch der Rheinfall. Angesichts des Hypes um Benjamin von Stuckrad-Barres Roman «Noch wach?» tut man sich etwas schwer mit der darin aufgewärmten Medien- und Me-Too-Geschichte. «Noch wach?» ist im Kern eine deutsche Variante des Weinstein-Skandals, wobei der Autor den Roman im Chateau Marmont in Los Angeles beginnen lässt, wo er selber logierte.
Fast unschuldig die Szenerie: Nackte Leiber im Pool. Es gibt einen bestaunenswerten Mond und Drogen, Hollywood as usual. Aber dann nimmt im Hintergrund Me-Too Fahrt auf, und die diesbezüglich stark involvierte Schauspielerin Rose McGowan, die auch am Pool sitzt, «war wirklich ein bisschen komisch geworden». Sucht da jemand nach Zwischentönen?
Unterdessen in Deutschland: Ein TV-Sender kommt in Erklärungsnot, weil sich der namenlose Chefredaktor etwas zu obsessiv «um die hübsche Auszubildende, knick-knack, haha» gekümmert hat. Worüber der Ich-Erzähler mit einem ebenfalls namenlosen Freund, der bald zum Ex-Freund wird, debattiert.
Männer unter Männern halt. «Noch wach?» sei ein Schlüsselroman über den Fall des «Bild»- Chefredaktors Julian Reichelt und dessen Verleger Mathias Döpfner, hiess es. Doch der Autor dementierte und behauptet, Fiktion geschaffen zu haben.
Nun, manchmal ist Stuckrad-Barre schon komisch. Vor allem, wenn er sich als Stakkato-Weltmeister im selbstgefälligen Phrasenzwirbeln aufführt. Und sich anschliessend wundert, dass man ihm den Roman trotz unbestreitbaren Fingerfertigkeiten doch nicht als freie Erfindung abkauft.
Buch
Benjamin von Stuckrad-Barre - Noch wach?
384 Seiten (Kiepenheuer & Witsch 2023)