Benjamin Nyffenegger «Ich habe meine Ki ndheit nicht dem Cello geopfert»
Sein Zuhause ist das Zürcher Tonhalle-Orchester. <br />
Doch er brilliert auch mit Solo-Auftritten und Kammermusikabenden. Der junge Schweizer Cellist Benjamin Nyffenegger macht eine glänzende Karriere.
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Kulturtipp 22/2011
Letzte Aktualisierung:
05.03.2013
Christian Berzins
Der junge Aargauer Benjamin Nyffenegger hat geschafft, wovon eine Heerschar von jungen Schweizer Musikern träumt: Nyffenegger spielt im besten Orchester der Schweiz – dem der Zürcher Tonhalle – und tritt oft auch als Solist auf.
Doch vorerst gilt es, leise zu sein: Aufnahmesitzung! Das Tonhalle-Orchester spielt zusammen mit Chefdirigent David Zinman die Sinfonien von Franz Schubert auf CD ein, der weltweite Erfolg der Beethoven- und Mahler-CDs verlangt nach einer F...
Der junge Aargauer Benjamin Nyffenegger hat geschafft, wovon eine Heerschar von jungen Schweizer Musikern träumt: Nyffenegger spielt im besten Orchester der Schweiz – dem der Zürcher Tonhalle – und tritt oft auch als Solist auf.
Doch vorerst gilt es, leise zu sein: Aufnahmesitzung! Das Tonhalle-Orchester spielt zusammen mit Chefdirigent David Zinman die Sinfonien von Franz Schubert auf CD ein, der weltweite Erfolg der Beethoven- und Mahler-CDs verlangt nach einer Fortsetzung. Demnächst steht der 27-jährige Cellist zudem als Kammermusiker auf der Tonhalle-Bühne. Nicht zum ersten Mal: Im März tourte er im Rahmen der Migros Classics zusammen mit der deutschen Stargeigerin Julia Fischer und der Academy of St. Martin in the Fields durch die schönsten Schweizer Konzertsäle.
Neues Streichquartett
Aus dieser musikalischen Beziehung ergab sich ein überaus attraktives Projekt für den Cellisten: Nächstes Jahr wird Julia Fischer ein neues Streichquartett bilden, zusammen mit Star-Bratschist Nils Mönkemeyer, Geiger Alexander Sitkovetsky und Benjamin Nyffenegger am Cello. Am eigenen Festival der Geigerin in München wird man auftreten, später an anderen Festivals gastieren.
Solo-Konzerte, Orchesterlaufbahn, Kammermusiker – Nyffenegger scheint ein Cellisten-Hansdampf in allen Gassen zu sein. Das mag momentan stimmen. Aber es ist noch nicht allzu lange her, da war es ruhig geworden um ihn. Da war der Jugendbonus, den er mit 20 genossen hatte, verspielt. Der junge Cellist fragte sich damals: War das alles?
Karriere in der Tonhalle
Grundlage von Nyffeneggers neuem Glück ist seine junge Familie und die Festanstellung als stellvertretender Solo-Cellist im Tonhalle-Orchester seit 2008. Seit kurzem ist er zudem im Orchestervorstand.
Er nimmt im munteren Gespräch kein Blatt vor den Mund, redet ehrlich und offen über seine Wünsche, wenn es um den fieberhaft gesuchten Nachfolger von Tonhalle-Chefdirigent David Zinman geht. Eine heikle Entscheidung, ists die falsche, wird das Orchester leiden. Namen will er keine nennen. Zu spüren aber ist sein Verlangen nach einem bedeutenden Orchesterleiter. Mehr noch: Nicht nur ein grosser Dirigent, sondern ein grosser Name ist gesucht. «Es ist für uns wichtig, dass einer kommt, der zieht», sagt Nyffenegger. «Dann öffnen sich neue Türen. Wir wollen in den Top-Sälen spielen, wollen weiterhin Aufnahmen machen und uns im internationalen Markt etablieren.» Da das Orchester kontinuierlich arbeiten möchte, wünscht sich Nyffenegger einen eher jüngeren Dirigenten.
Der Wunschkandidat
Auch wenn die Orchestermusiker über ihre Wunschkandidaten schweigen, gäbe es einen, den das ganze Orchester will und der seit ein paar Jahren regelmässig in der Tonhalle gastiert. Er heisst Andris Nelsons, arbeitet zurzeit in Birmingham und dirigiert zudem die besten Orchester der Welt.
Fragt sich nur, ob der lettische Dirigentenstar auf der Karriereleiter nicht über das Zürcher Orchester hinwegsteigt. Benjamin Nyffenegger meint, dass nicht das Tonhalle-Orchester das Problem sei. «Wir können mit den Besten der Welt mithalten. Aber Zürich hat nun mal nicht die Strahlkraft von München oder Berlin. Tradition lässt sich nicht herbeizaubern.»
Zurück zum jungen Cellisten, der ehrlich sagt: «Ich wünschte einst, dass es mit meiner Karriere so kommen würde, aber ich bin immer wieder überrascht.» Nyffenegger gehörte schon früh zu den grossen Begabungen. Bevor er mit 15 Jahren zum Cello-Pädagogen Walter Grimmer kam, spielte er aber mehr Fussball als Cello. Er ist bis heute darüber froh: «Ich habe meine Kindheit nicht dem Cello geopfert.»
Mit 15 wurde er Jungstudent, mit 16 ging es richtig los. Klar war, dass die Solistenkarriere nicht infrage kam. «Da muss man sich selbst so sehr pushen, sich zu platzieren wissen. Ich wollte ins Orchester.»
Allerdings nicht in irgendeines. Schon mit 12 hatte er in einem Schulaufsatz geschrieben, dass er ins Tonhalle-Orchester möchte. Über St. Gallen und Luzern wurde der Schritt möglich. Trotz Traumstelle wäre ihm das reine Orchesterleben zu wenig. Und so war er stolz, dass er im März an der Seite von Julia Fischer in der Tonhalle auftreten durfte: Sie als der Star, er als das «Schweizer Talent». Zumindest auf dem Papier – das Ohr vernahm keinen Unterschied.
[CD]
Johannes Brahms: Sinfonien (RCA 2011).
Gustav Mahler: Sinfonien (RCA 2011).
Bartok/Tschaikowski: Violinkonzerte (Virgin 2011).
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