«Die Frau, die mich zum Film gebracht hat, war meine Grossmutter aus Wien», erzählt Béla Batthyany und erinnert sich, wie er als Kind mit ihr Western schaute, wenn der Rest der Familie längst zu Bett gegangen war. «Mir gefielen die Schiessereien, sie interessierte sich für die Geschichte dahinter.» Ein wenig Western steckt auch in der SRF-Serie «Wilder», die mit der vierten Staffel in die letzte Runde geht. Béla Batthyany ist der Chef-Drehbuchautor des Kult-Krimis. Er hat in Zürich und Paris Psychologie und Filmwissenschaften studiert, bevor er die Regie-Klasse an der Hochschule für Gestaltung und Kunst in Zürich absolvierte. Sein Psychologiestudium helfe ihm, seine Figuren zu verstehen, sagt er. «Mich haben immer schon Menschen und deren Konflikte interessiert.» So hat Batthyany mit der alleinerziehenden Kommissarin Rosa Wilder (Sarah Spale) und dem knorrigen, homosexuellen Kommissar Manfred Kägi (Marcus Signer) zwei Charakterköpfe entwickelt. «Ich nehme meine Figuren mit nach Hause», sagt der Autor, der mit einer SRF-Kulturjournalistin verheiratet ist und zwei Töchter hat. Für die Familie sei es nicht immer einfach, wenn man mit einer Hirnhälfte ständig in seiner Fiktion lebe. «Manchmal fällt mir nachts noch was ein, oder ich wache auf und habe als Erstes einen Gedanken, wie die Geschichte weitergehen könnte.»
Die Kernwunde – das A und O einer Figur
«Wilder» sei von der Tonalität her von Serien wie «Kommissarin Lund», «Broadchurch» oder «Happy Valley» inspiriert. «Mich hat immer das Drama mehr interessiert als der Krimi-Aspekt», sagt der 50-Jährige. Als Autor habe er sehr viel Mitspracherecht gehabt und sei in engem Kontakt zur Regie gestanden. Kägi sowie Rosa Wilder haben Beziehungsprobleme und ihre Launen. «Das A und O einer Figur ist, dass sie eine Kernwunde hat.» Es brauche etwas, das die Figur umtreibe oder sie auch mal einen falschen Weg einschlagen lasse. «Eine Figur, die nichts will, bleibt stehen. Und dass sie nicht immer will, was sie braucht, verleiht ihr Tiefe.»
Sarah Spale musste als gebürtige Baslerin mit einem Coach Berndeutsch lernen für ihre Rolle. Batthyany tat es ihr gleich, denn er hält nichts davon, Dialoge auf Hochdeutsch zu schreiben und dann zu übersetzen. Dafür, ob ein Dialog authentisch klinge, entwickle man ein Ohr. «Schreiben ist vergleichbar mit Musikmachen.» Für die vierte Staffel wurde erneut im Glarnerland und auf dem Urnerboden gedreht. Die Landschaft wird in der Serie als Heimat von Rosa Wilder, die aus dem Berner Oberland kommt, verkauft. Rosa will eigentlich kürzertreten, nachdem ihr in der dritten Staffel ein Fall zu nahe ging. Batthyany benutzt einen dramaturgischen Kniff, indem er die Heldin aus dem Busch klopft. Einen «Call of adventure» heisst das in der Fachsprache. Wetten, dass Rosa Wilder die Herausforderung annimmt?
Wilder – Staffel 4
Ab Di, 4.1., jew. 20.05 SRF 1
Béla Batthyanys Kulturtipps
Serie
I May Destroy You (BBC & HBO)
«Radikal, komisch, unvergleichbar. Eine der stärksten Drama-Serien der letzten Jahre.»
Serie
The White Lotus (HBO)
«Die US-amerikanische Oberschicht wird beim Urlaub auf Hawaii filetiert. Ein Serienmeisterwerk.»
Serie
I Know This Much Is True (HBO)
«Mark Ruffalo spielt einenvom Schicksal geplagten Mittvierziger – und seinen schizophrenen Zwillingsbruder. Brillant.»
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