«Beethoven plus» – diese Konzertreihe hat David Geringas in der Berliner Philharmonie erfolgreich gestartet. Er stellte den Cellosonaten Beethovens Musik von Paul Hindemith gegenüber. Oder er transkribierte Lieder von Gustav Mahler für Cello und Klavier. Diese Beethoven-Mahler-Kombination verstand der litauische Meistercellist als Hommage an den grossen Sänger Dietrich Fischer-Dieskau.
Ein weiteres Paar ist Beethoven plus Richard Strauss: zu hören an den diesjährigen Interlaken Classics. «Beethoven und seine Nachfolger – die unterschiedlichen Sphären begünstigen sich gegenseitig», sagt Geringas, «man versteht die Bezüge späterer Komponisten zu Beethoven, der für die Cello-Klavier-Literatur Meilensteine gesetzt hat.» Geringas verweist dabei auf den Zusammenhang, den die Strauss-Cellosonate im zweiten Satz zur letzten Beethoven-Sonate op. 102 hat.
Der 1946 geborene David Geringas ist seit langem einer der Grossen in der Musikwelt, der anspruchsvolle Gegensätze liebt. So verbindet er in einer seiner rund 100 Einspielungen den Barockmeister Johann Sebastian Bach mit zeitgenössischer Musik. Immer wieder kommt der Cellist aber auf Beethoven zurück: «Seine Cello-Sonaten sind sein ganzes Leben. An Beethoven kann man die Welt lernen.» Als er sich dem Dirigieren zugewandt habe, beschäftigte er sich sogleich mit allen Beethoven-Sinfonien, erzählt Geringas.
Begeisterter Lehrer
In Interlaken freut man sich auf den Interpreten David Geringas, aber auch auf den begeisterten Lehrer. Um Technik gehe es in der Arbeit mit den Meisterkurs-Studierenden kaum mehr, dafür immer wieder um anspruchsvolle Fragen nach dem roten Faden einer Interpretation. «Wie finde ich eine Linie, eine Vision für die gewählte Komposition, wo liegt die musikalische Wahrheit? Da probiere ich, den Studierenden einen Weg zu ebnen», beschreibt Geringas seinen pädagogischen Anspruch. «Oft treffe ich an Meisterkursen meine musikalischen Enkel. Viele haben bei Schülern von mir studiert.»
Geringas kennt die Psychologie solcher Kurse: «Oft sage ich das, was die Studierenden schon von ihren Lehrern gehört haben. Aber manchmal braucht es diesen Impuls von anderer Seite, um zu fruchten.» Namhafte Musiker haben bei Geringas studiert, unter ihnen Sol Gabetta.
Komet mit Schweif
Gerne erinnert sich Geringas an seine eigene Studienzeit beim russischen Cellisten Mstislaw Rostropowitsch. «Er war in sich selbst eine ganze Galaxie. Sein Unterrichtsfach hiess ‹Die ganze Welt›, die Welt der Musik, der Menschen, des Empfindens, des Verstehens und der Verständigung.» Rostropowitsch war für Geringas ein Komet der mit Lichtgeschwindigkeit flog, «und wir Schüler waren der Schweif».
Er denkt an seine Anfangszeit als «Moskonzert»-Künstler in der ehemaligen UdSSR zurück. «Da kamen schon einmal 20 Konzerte pro Monat zusammen. Wenn man das durchgestanden hat, ist man für das Leben gestählt.» Die unbedingte Liebe zum gewählten Stück ist bis heute David Geringas’ festes Credo: «Ich stehe hinter jedem Stück, das ich spiele. Sonst gehe ich nicht auf die Bühne.»