Beate wird bald 50. Sie ist immer da für ihre Familie – geradezu aufopfernd. Neben der Arbeit in der Grosswäscherei sorgt sie für die Enkelin Klara. Denn Tochter Rike kann sich nicht gross um ihr Kind kümmern, weil sie gerade das Medizinstudium abschliesst. Im Eigenheim kocht Beate (Steffi Kühnert) für Sohn Alex und die Schwiegertochter, die bei ihr wohnen. Lediglich im Fitnessstudio kann sie etwas Abstand nehmen, zusammen mit ihrer festen Freundin Henni (Jenny Schily), einer Frau mit vielfältigem Liebesleben.
«Ihr seid noch so jung und habt so viele Träume», sagt sie einmal zum Sohn. Dieser fragt zurück: «Hast du keine mehr?» Doch Beate hatte einen Traum, der viele Jahre zurückliegt. Sie zeigt ihrer Enkelin im Gartenschuppen die Medaillen, die sie hier aufbewahrt. Relikte aus einer vergangenen Zeit: Sie war einst eine sogenannte Leistungsschwimmerin, die es für die DDR an die Olympischen Spiele geschafft hätte – wenn sie nicht früh, mit 17, schwanger geworden wäre. «Ich hätte in Moskau Gold holen können», ist Beate überzeugt. Aber ihr Leben verlief in anderen Bahnen.
Projekt Ärmelkanal
Ein Schicksalsschlag bringt Beate auf eine überraschende Idee. Sie erhält eine Krebsdiagnose und will noch einmal etwas Aussergewöhnliches schaffen, «einmal etwas ganz für mich, etwas Eigenes». Sie will die 33 Kilometer lange Schwimmstrecke durch den Ärmelkanal bewältigen. Das sei «der Mount Everest für Schwimmer».
Gleich nach ihrem 50. Geburtstag will sie es wagen. Bis dahin trainiert Beate, sie joggt, schwimmt ausgiebig, rackert sich ab. Im Gewächshaus legt sie sich zur Abhärtung in eine Badewanne voller Eiswasser.
Beate besitzt noch eine alte Platte aus DDR-Zeiten. Zum Training auf dem Heimrudergerät lässt sie «Wenn ein Mensch lebt» von den Puhdys laufen. Da singt die Popband jenen Song, den sie 1973 bereits zum Soundtrack der Plenzdorf-Verfilmung «Die Legende von Paul und Paula» beigesteuert hatte: «Wenn ein Mensch kurze Zeit lebt / Sagt die Welt, dass er zu früh geht. / Wenn ein Mensch lange Zeit lebt / Sagt die Welt, es ist Zeit.» Es sind passende Kommentarzeilen, wie auch das im Song zitierte Bibelwort «Jegliches hat seine Zeit».
Die Zeit für Beates Bewährungsprobe kommt bald. Zusammen mit Freundin Henni macht sie sich auf zum Ärmelkanal. Wird Beate es schaffen?
Steffi Kühnert («Halt auf freier Strecke») spiel die titelgebende «Frau, die sich traut»: Vom unbedingten Willen getrieben, etwas Ausserordentliches zu leisten, den Ausbruch aus dem Alltag spektakulär zu wagen. Sie trägt den Film mit einer unvergleichlichen Präsenz, als Sture, die sich nicht von ihrem Weg abbringen lässt – ein schauspielerischer Glücksfall.
Die Frau, die sich traut
Regie: Marc Rensing
Ab Do, 2.1., im Kino