Olsberg heisst die 1236 gegründete Klosteranlage in den Jurahügeln oberhalb von Rheinfelden. Wenn jemand hierherkommt, der Sol heisst und die Zeit der Sommersonnenwende als Festivalrahmen wählt, dann wird ganz schnell ein Solsberg aus dem idyllisch gelegenen Ort.
Zum 13. Mal lädt Gabetta ihre Musikerfreunde hierher ein, spielt mit ihnen Kammermusik in der barock ausgeschmückten Klosterkirche und weicht für andere, grössere Besetzungen auch mal aus nach Rheinfelden.
Der französische Pianist Bertrand Chamayou mag Kammermusik. Kein Zufall deshalb, dass er eine Konstante in der Musikerentourage von Sol Gabetta ist. Früh und zufällig kreuzten sich ihre Wege: Gabetta übernachtete während eines Cello-Wettbewerbs bei Chamayous Eltern in Toulouse, er, der damals schon in Paris lebte, kam am Wochenende vorbei. Zum ersten Mal zusammen musiziert haben sie erst später, in einem Konzert in Bremen.
Daraus ist eine Partnerschaft geworden. Sol Gabetta sagt über Chamayou: «Obwohl wir als Menschen und auch als Musiker sehr unterschiedlich sind, finden wir im Spielen zu einer Einheit. Er ist einer der wenigen Kollegen, bei dem ich im Musizieren gar keine Kompromisse machen muss.»
Dass Chamayou Pianist geworden ist, war nicht vorgezeichnet: «Für mich war das Klavier ein Bastelwerkzeug.» An eine Solistenkarriere dachte er lange nicht, als er als 15-Jähriger seine Heimatstadt Toulouse verliess und am Pariser Conservatoire aufgenommen wurde. Tonleitern und Etüden interessierten ihn nicht, dafür aber Blattlesen, Orchesterpartituren durchspielen – und Improvisieren. Sein Berufsziel war klar: Chamayou wollte Komponist werden, seinem Idol Pierre Boulez eiferte er nach.
Ein Herz für die zeitgenössische Musik
Heute, mit 37, schläft der Komponist in ihm. Einfach so nebenher Musik zu erschaffen, mag er nicht: «Wenn ich das Komponieren je wieder aufnehmen würde, möchte ich das seriös tun, mit Ausbildung und Studium.»
Aber sein Herz schlägt stark für die heutigen Komponistenkollegen. Er spielt gerne zeitgenössische Musik. Dabei möchte er Wertschätzung erreichen: «Wenn die Zuhörer nur darauf warten, dass wieder Beethoven kommt, ist das eigentlich eine Beleidigung für ein Stück von heute.» Deshalb nimmt er Neue Musik gerne aus dem traditionellen Konzertkontext heraus, spielt sie performativer, näher am Publikum und an ungewöhnlichen Orten: «Man kann zeitgenössische Musik nicht wie Museumsexponate behandeln – sie gehört mitten in unser Leben.»
Trotz Wohnort Paris blieb Chamayou seiner Heimatregion Toulouse verbunden: In Saint-Jean-de-Luz, einem kleinen Städtchen am Meer, hat er eine Wohnung. Hier wurde Maurice Ravel 1875 geboren. Die Klaviermusik des Basken faszinierte den jungen Bertrand schon früh, und sie begleitet ihn bis heute ständig.
Tour de Force mit Ravels Klavierwerk
Ravels Gesamtwerk für Klavier solo hat er 2016 eingespielt. Die Doppel-CD erhielt herausragende Rezensionen. Aber auch im Konzertsaal hat er die Ravel-Totale schon gespielt, etwa in der Elbphilharmonie. Zwei Pausen, Konzertende kurz vor Mitternacht – eine Tour de Force für den Pianisten wie fürs Publikum. Aber er mag die «Monographien», wie er sagt: «Ich liebe es, meine Beziehung zu einem Komponisten dadurch zu vertiefen, dass ich ganz in sein Werk eintauche und die Entwicklungen zeige, die er in seinem Künstlerleben genommen hat.»
Angefangen hat Chamayous Karriere mit dem Klavierkomponisten Franz Liszt, dem Salonvirtuosen. 24 Jahre alt war Chamayou da, und er begeisterte mit seiner hellen, perlenden Spielweise. Die CD mit den «Etudes d’exécution transcendante», einer Folge pianistischer Herausforderungen von steigendem Schwierigkeitsgrad, spielte Chamayou live und mutig in einem Durchgang ein. Das sorgte für Aufsehen.
Er war immer einer, der schnell lernte, Noten rasch in die Finger kriegte. Aber das sei nur der Beginn des Lernprozesses, sagt Chamayou: «Musik braucht ihre Inkubationszeit. Man muss sie ruhen lassen, nachdem man sie gelernt hat und Informationen gesammelt hat. Dann muss man die Erinnerungen ihre Arbeit tun lassen.»
CD
Bertrand Chamayou
Ravel: Sämtliche Werke für Klavier solo
(Erato 2016)
Sol Gabetta, Bertrand Chamayou
The Chopin Album (Sony 2015)
Solsberg-Festival
Solsberg-Festival
Fr, 8.6.–So, 24.6.
Fr/Sa, 8.6./9.6., 19.00, ab Bahnhof Rheinfelden
À la mémoire d’un grand artiste Anton Arensky Klaviertrio Nr. 1 d-Moll op. 32 (1894)
Sergej Rachmaninow (1873–1943)
Trio élégiaque Nr. 2 d-Moll op. 9 (1893)
Olsberg BL