Auszug aus der Heimat
Die Schweiz hat nicht nur eine Geschichte der Einwanderung: Gabrielle Alioth stellt in ihrem neuen Buch Schweizer Auswanderer aus sieben Jahrhunderten vor.
Inhalt
Kulturtipp 14/2014
Rolf Hürzeler
Von seiner Heimat wollte er im Alter nichts mehr wissen. Der Schweizer Künstler Johann Heinrich Füssli brachte es in London zu Beginn des 19. Jahrhunderts als Mitglied der Royal Academy zu grossem gesellschaftlichem Ansehen. Füsslis Leben belegt, dass die Schweiz für viele zu klein ist – dass sie die grosse Bühne brauchen.
Gabrielle Alioth stellt den Künstler Füssli in ihrem neuen Buch «Ausgewandert» vor. Es ...
Von seiner Heimat wollte er im Alter nichts mehr wissen. Der Schweizer Künstler Johann Heinrich Füssli brachte es in London zu Beginn des 19. Jahrhunderts als Mitglied der Royal Academy zu grossem gesellschaftlichem Ansehen. Füsslis Leben belegt, dass die Schweiz für viele zu klein ist – dass sie die grosse Bühne brauchen.
Gabrielle Alioth stellt den Künstler Füssli in ihrem neuen Buch «Ausgewandert» vor. Es ist eine von knapp 50 Biografien von Schweizer Auswanderern: von prominenten und unbekannten. So beschreibt die Autorin etwa die Lebensgeschichte des Ordensbruders Moritz Josef Andreoli (1891–1987), der in der Klinik Rheinau aufgewachsen war und den das Schicksal nach Banja Luka in Bosnien verschlug, von wo er im Zweiten Weltkrieg flüchten musste. Andreoli fand in Einsiedeln SZ ein neues Zuhause.
Schlechter Ruf
Vor dem Hintergrund der aktuellen politischen Debatte sind die unterschiedlichen Motive der Auswanderer besonders spannend, die sie zum Adieusagen bewogen. Die Söldner im 15./16. Jahrhundert waren aus materieller Not gezwungen, ihre Kriegsdienste zu verkaufen. Und diese genossen damals im Ausland einen denkbar schlechten Ruf. Bis ins 19. Jahrhundert waren die meisten Schweizer wie die Söldner Wirtschaftsflüchtlinge.
Höchst interessant sind die Schicksale Vergessener: etwa des Forschers und Abenteurers Alexandre Yersin. Der Mann ging als Entdecker des Pestbazillus in die Medizingeschichte ein. Der Waadtländer Yersin (1863–1943) erforschte in Paris die Pest und setzte Ende des 19. Jahrhunderts ein neuartiges Heilmittel in Indien gegen die Krankheit ein, das sich allerdings als wirkungslos erwies. Ein paar Jahre später gründete er in Hanoi eine Schule für medizinisches Hilfspersonal, die später zur Medizinischen Fakultät wurde. Ehrungen wurden dem bescheidenen Wissenschaftler zwar zuteil, aber sie waren ihm peinlich.
Autorin Gabrielle Alioth, die auch als kulturtipp-Mitarbeiterin tätig ist, weiss, wovon sie schreibt. Sie hat der Schweiz selbst den Rücken gekehrt, ist vor Jahren von Basel nach Irland ausgewandert und lebt heute nördlich von Dublin.
Gabrielle Alioth bietet eine umfassende Übersicht all der Schweizer Auswanderer, die sie in Kategorien einteilt: «Die Genialen», «Im Banne des Orients» oder «Köstliche Klischees». Von vielen hätte man gerne mehr erfahren wollen. So möchte man die Autorin dazu anhalten, diese Biografien weiterzuverfolgen.
Gabrielle Alioth
«Ausgewandert»
192 Seiten
(Faro 2014).