«Müssen Frauen nackt sein, um ins Metropolitan Museum zu kommen?» – provokant prangerten die Guerilla Girls 1989 die geringe Zahl ausgestellter Künstlerinnen in den grossen US-Museen an. Das Plakat der anonymen Künstlerinnen-Gruppe ist heute eine Ikone. Und ihr Anliegen noch immer aktuell: In Schweizer Museen war zwischen 2008 und 2018 lediglich ein Viertel der Einzelausstellungen Frauen gewidmet. Erfreulich also, dass gleich drei Schweizer Häuser mit Ausstellungen bedeutender Malerinnen ins neue Jahr starten. Und was für welche!
Das Zentrum Paul Klee in Bern widmet der Expressionistin Gabriele Münter (1877–1962) die erste umfassende Retrospektive in der Schweiz. Kunsthistoriker pflegten lange ein reduziertes Bild dieser Künstlerin. Münter wurde vor allem als Anhängsel ihres Lebenspartners Wassily Kandinsky gesehen. Innovation sprach man dem Mitglied der Künstlergruppe «Der blaue Reiter» ab; betitelte sie gönnerhaft-herablassend als «intuitive Malerin». Wie überholt diese Ansicht ist, davon können sich Besucher der Ausstellung «Gabriele Münter – Pionierin der Moderne» überzeugen. Mün-ters Farblinolschnitte zeugen von ihrer unermüdlichen Suche nach dem wirkungsvollsten Bildausschnitt. Wie frisch diese Arbeiten sind! Fotos ihrer USA-Reise aus den 1890ern sind dynamisch und nahe am Leben – nahm Münter hier gar das spätere Genre Strassenfotografie vorweg? Ihre geschickt gewählten Perspektiven wandte sie auch in ihren farbintensiven Landschaftsgemälden und Porträts an. Diese Bilder ziehen die Betrachter geradezu in sich hinein.
Georgia O’Keeffes realistische Melancholie
Wie Gabriele Münter wurde auch die US-Amerikanerin Georgia O’Keeffe (1887–1986) lange einseitig betrachtet. Wohl wegen ihrer Gemälde vergrösserter Blumen und erotisch aufgeladener Hügelzüge drückte man ihr den Stempel «feminine Malerin» auf. Eine Retrospektive in der Fondation Beyeler in Riehen erlaubt einen differenzierteren Blick. Inspiriert von Europas Avantgarde, spielt O’Keeffe schon früh mit intensiven Farben, experimentierte an der Grenze zwischen Figuration und Abstraktion. Farbgewölke erinnern an Wolkentürme, Stadtansichten wohnt die Melancholie des Amerikanischen Realismus inne, und die kargen Landschaften New Mexicos werden plastisch und poppig. Zu Recht wird Georgia O’Keeffe heute zu den Wegbereiterinnen der modernen Malerei in den USA gezählt.
Nicole Eisenmans knubbelnäsige Figuren
Eine der spannendsten zeitgenössischen Malerinnen stellt uns schliesslich das Aargauer Kunsthaus vor: Nicole Eisenman. In den Gemälden der in New York lebenden Französin gesellen sich knubbelnäsige Comic-Figuren à la Philip Guston zu Gestalten, die sich scheinbar bei Eduard Munch, Fernando Botero oder George Grosz davongestohlen haben. Hier wuchern Farbschichten, dort erweckt ein Trompe-l’œil-Einschussloch den Eindruck, jemand habe auf das Bild geschossen. Die Ausstellung «Köpfe, Küsse, Kämpfe» stellt diese Gemälde Werken aus der Sammlung gegenüber. Was für ein wilder Ritt durch die Kunstgeschichte! Doch Eisenmans Bilder sind mehr als nur Steppdecken aus Zitaten. Die Malerin schlägt eine Brücke zwischen dem frühen 20. Jahrhundert und heute; thematisiert Einsamkeit und Entfremdung, Gewalt und die Suche nach einer Identität jenseits der Geschlechterkonventionen. Männer sind in ihren Bildern bisweilen auf einzelne Körperteile reduziert oder gar abwesend. Aber das ist auch o.k. – sie standen lange genug im Mittelpunkt.
Ausstellungen
Köpfe, Küsse, Kämpfe – Nicole Eisenman und die Moderne
Sa, 29.1.–So, 24.4. Aargauer Kunsthaus Aarau
Gabriele Münter. Pionierin der Moderne
Sa, 29.1.–So, 8.5. Zentrum Paul Klee Bern
Georgia O’Keeffe
So, 23.1.–So, 22.5. Fondation Beyeler Riehen BS