Unordnung ist der falsche Ausdruck. Sagen wir, Lutz & Guggisberg mögen ihre eigene Ordnung. Und in dieser gehören Zweige und Plastik und Papier und Elektroschrott und Gips und Malerei und Fotografie und Skulpturen und Videos halt irgendwie zusammen. Das Künstler-Duo greift gerne auf ein Sammelsurium aus Brockenhaus-Tand, Altholz und sonstigem Karsumpel zurück; zimmert daraus in seinem Zürcher Atelier allerlei Rätselhaftes und Monströses, das es in die Welt hinausschickt. Als Ermahnung an die Betrachter: Hey, es lohnt sich, vom gewohnten Blick abzuweichen.
Eingreifen ins vermeintlich Vertraute
In Kürze werden sie die Besucherinnen und Besucher des Kunst Museum Winterthur herausfordern. Für die Schau «Ofen, Geist und Meister» stellen sie ihre Werke in dessen Sammlung der Moderne aus. Etwa die Skulptur «Toy Castle». Das surreale Puppenhaus aus Ton, Plastik und einem Tennisball lässt die Spielgarage von Fisher-Price und eines der unmöglichen Häuser von M.C. Escher erahnen. Oder «Oh my God, I’m full of plans». In diesen rätselhaften Zylinder aus Allerlei möchte man hineinsteigen, um ihn zu ergründen. Zweifellos wird diese Intervention anregen, mitten unter den Dadaisten und Kubisten.
Intervenieren, das können Lutz & Guggisberg. Schon vor sechs Jahren taten sie es im Museum Rietberg – einen Globus aus Ethno-Souvenir-Kitsch platzierten sie inmitten der Sammlung aussereuropäischer Kunst. Das regte an, über globale Zusammenhänge und das Museum an sich nachzudenken. Aber eigentlich intervenieren Lutz & Guggisberg ja ständig – in unserer Alltagskultur, im vermeintlich Vertrauten. Seit 1996 arbeiten der Wettinger Andres Lutz und der Bieler Anders Guggisberg als Duo. Seither modellieren, basteln, filmen und malen sie ihre Parallelwelten und rätselhaften Enzyklopädien. Spielerisch und oft vom Zufall getrieben gehen sie an ihr Werk – und sind dabei doch immer wieder treffsicher satirisch. Faszinierend ist zum Beispiel ihre «Bibliothek», eine Sammlung aus 450 fiktiven Büchern und eine Persiflage auf die bildungsbürgerliche Bücherwand.
Für alle haben Lutz & Guggisberg Einbände mit Titelbild und Klappentext gestaltet. Lesen lassen sich die irrwitzigen Romane und Sachbücher freilich nicht – die Körper sind aus Holz.
Auf schelmische Art hinterfragen
Die beiden übermalten auch schon Fotos verlassener Schrebergärten zu Fantasielandschaften voller amorpher Figuren und Pflanzen. Für das Haus für Kunst Uri wiederum vereinten sie unzählige Objekte aus ihrem Materiallager zu einer Art metaphorischem Gotthard-Stau. Und im Aargauer Kunsthaus bauten sie leicht verzerrte Versionen ganzer Büro- und Wohnungseinrichtungen nach.
Auf ihre eigene, schelmische Art hinterfragen Lutz & Guggisberg mit ihrem Schaffen so immer wieder etablierte Wertesysteme. Stören auf vergnügliche Art unsere gewohnten Hierarchien von Materialien, Objekten und Räumen. Aber eben, wer sagt schon, welche Ordnung die richtige ist.
Lutz & Guggisberg – Ofen, Geist und Meister
Sa, 22.8.–So, 10.1. Kunst Museum Winterthur ZH