Ausstellung: Trügerische Sicherheit
Der 36-jährige russische Maler und Videokünstler Sanya Kantarovsky erhält in der Kunsthalle Basel seine erste grosse Einzelausstellung in der Schweiz.
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Kulturtipp 18/2018
Simon Knopf
Für einen kurzen Moment hat uns Sanya Kantarovsky eingelullt: die hellen Blautöne, die Leichtigkeit der Wasserfarbe. «Floater» zeigt eine erfrischende Sommerszenerie. Doch plötzlich drängen sich Fragen auf: Wo ist der Rumpf zum Kopf? Deutet das Rot Blut an? Treibt hier ein Schwimmender oder ein Toter?
Das Gemälde gehört zu den jüngsten Arbeiten des russischen Malers und Videokünstlers und ist in Kantarovskys erster grosser Ei...
Für einen kurzen Moment hat uns Sanya Kantarovsky eingelullt: die hellen Blautöne, die Leichtigkeit der Wasserfarbe. «Floater» zeigt eine erfrischende Sommerszenerie. Doch plötzlich drängen sich Fragen auf: Wo ist der Rumpf zum Kopf? Deutet das Rot Blut an? Treibt hier ein Schwimmender oder ein Toter?
Das Gemälde gehört zu den jüngsten Arbeiten des russischen Malers und Videokünstlers und ist in Kantarovskys erster grosser Einzelausstellung in der Schweiz zu sehen. Die Kunsthalle Basel würdigt damit einen der spannendsten zeitgenössischen Künstler. Seine Bilder hängen in der Tate Modern in London, seine Videoinstallationen liefen an der Art Basel.
Sanya Kantarovsky kommt 1982 in Moskau zur Welt. Als Zehnjähriger emigriert er mit seiner Familie in die USA. Später studiert er Kunst. Heute lebt und arbeitet er in New York. Doch geblieben sind die Themen seiner Kindheit in der Sowjetunion.
Nur auf den ersten Blick harmlos
Der Maler wächst in Moskaus legendärem «Schiffshaus» auf, einem 400 Meter langen Koloss. Gut 2000 Menschen wohnen hier. Soziale Strukturen in der Grossstadt, Machtgefälle in der Gesellschaft – damit befasst sich Kantarovsky in seinen Arbeiten. Dafür zitiert er grosszügig aus der Kunstgeschichte. Mal erinnert ein Figurenpaar an Paul Gaugins Südseegemälde, mal ein weiblicher Akt an George Grosz’ Satiren aus der Weimarer Republik. Andernorts finden sich Spuren von Surrealismus und Expressionismus oder von Figuren aus Kinderbüchern.
Trotz allen Verweisen ist Kantarovskys Stil eigenständig. Der Maler setzt Konturen schroff, kontrastiert feine Aquarelltechnik mit groben Strichen des Ölstifts, überlagert Ebenen wie bei einer doppelbelichteten Fotografie. Das macht sein Werk einnehmend. Satire, Düsterkeit und Melancholie zeigen sich erst auf den zweiten Blick.
Auch bei der Basler Ausstellung dürfte dies so sein. Titelgebend ist Kantarovskys gleichnamiger Kurzfilm «Disease of the eyes», der in der Kunsthalle Basel raumfüllend an die Wand projiziert wird. Darin wandelt ein flauschiges, humanoides Wesen durch ein menschenleeres Haus. Niedlich. Oder vielleicht doch nicht?
Sanya Kantarovsky – Disease of the eyes
Do, 30.8.–So, 11.11.
Kunsthalle Basel