In der Wiederholung entfaltet selbst der Schrecken eine sinnliche Kraft. Zumindest bei Bruce Conner. Für «Crossroads» reihte der Künstler Filmaufnahmen der US-Atombombentests von 1946 im Bikini-Atoll aneinander. 35 Minuten dauert sein legendärer Experimentalfilm von 1976: Aus ständig neuen Winkeln sieht der Betrachter einen Atompilz, der immer und immer wieder als ungeheures Gebilde in den Himmel wächst. Selten lagen apokalyptischer Horror und hypnotisierende Faszination so nahe beieinander.
In den USA gehört Bruce Conner (1933–2008) zu den bedeutenden Avantgarde-Künstlern der Nachkriegszeit und wird heute gerne als geistiger Vater des Musik-Clips betitelt. «Crossroads» sowie acht weitere seiner Filme sind nun im Museum Tinguely in Basel in der Ausstellung «Light out of Darkness» zu sehen. Conner zieht in der zweiten Hälfte der 1950er von Colorado nach San Francisco. In der dortigen Beat-Szene fühlt er sich sogleich aufgehoben – die medialen Grenzüberschreitungen sprechen den umtriebigen Freigeist mehr an als das reglementierte Kunststudium an der Uni von Boulder. So fertigt er in San Francisco zunächst Assemblagen aus allerlei Tand und Müll.
Aus Schnipseln werden neue Filme
Nach demselben Konzept beginnt er schliesslich auch, Experimentalfilme zu produzieren. Conner montiert bestehendes Filmmaterial zu neuen Erzählungen; arbeitet dabei mit Schnipseln aus TV-Werbungen, Kindersendungen und Spielfilmen, mit animierten Sequenzen aus Zeichentrick- und Physik-Lehrfilmen. Sein Erstling «A Movie» zum Beispiel ist eine Verdichtung kleinerer Katastrophen. Autos überschlagen sich, Wasserskiläufer stürzen. Und dazwischen: U-Boot-Kapitän, Torpedo, Pin-up-Girl, Atomexplosion.
Bruce Conner ist ein Schelm am Schneidetisch. Denn seine Filme pendeln zwischen krudem Humor und feiner Politsatire, zwischen Gesellschaftskommentar und Anarchie. Dabei fasziniert ihn auch das Zusammenspiel zwischen Musik und Bildern. In «Cosmic Ray» treibt Ray Charles’ «What’d I say» die frenetische Bildabfolge an. Später werden seine Arbeiten ruhiger.
Conners Erbe ist auf Youtube zu sehen
«Looking for Mushrooms» etwa besteht aus seinen eigenen Aufnahmen aus Mexiko – ein psychedelischer Reisefilm, den er mit dem Sound des Experimentalkomponisten Terry Riley unterlegte. In «Take the 5:10 to Dreamland» ordnet er statische Bilder ganz der Komposition von Patrick Gleeson unter.
Bis heute ist Conners Erbe auf Youtube und ab und an auf dem Musiksender MTV zu sehen: Videos, die er selber für Musiker wie David Byrne oder Devo produzierte. Die von ihm inspirierte Pannen-Collage, die «Walk of Life» der Dire Straits begleitet. Oder Clips, welche die Band U2 1992 auf ihrer «Zoo TV»-Tournee zeigte. Atemberaubende Bilderfluten, jeder Schnitt ein Augenzwinkern von Bruce Conner.
Bruce Conner – Light out of Darkness
Bis So, 28.11.
Museum Tinguely Basel