Ausstellung: Raumfüllende Farbwelten
Bei Judy Millar wird Kleines ganz gross, und Figuren verstecken sich in Farbwolken. Das Kunstmuseum St. Gallen bietet einen Einblick in das Œuvre der Malerin aus Neuseeland.
Inhalt
Kulturtipp 07/2019
Simon Knopf
Sie kennen den Effekt bestimmt: Sie blicken so lange in eine Gewitterwolke, bis Sie Landschaften in dem sich auftürmenden Gebilde sehen. Ähnliches widerfährt dem, der Judy Millars Gemälde studiert. Da schrauben sich Malspuren über die Leinwand, wuchern zu einem abstrakten Etwas. Und doch: Ist auf dem Bild «Promised» (siehe rechts) nicht ein windschiefer Baum erkennbar?
Die 1957 in Auckland geborene Millar gilt als wichtigste zeitgenössische ...
Sie kennen den Effekt bestimmt: Sie blicken so lange in eine Gewitterwolke, bis Sie Landschaften in dem sich auftürmenden Gebilde sehen. Ähnliches widerfährt dem, der Judy Millars Gemälde studiert. Da schrauben sich Malspuren über die Leinwand, wuchern zu einem abstrakten Etwas. Und doch: Ist auf dem Bild «Promised» (siehe rechts) nicht ein windschiefer Baum erkennbar?
Die 1957 in Auckland geborene Millar gilt als wichtigste zeitgenössische Malerin Neuseelands. Ihre Position ist äusserst spannend. Millar legt ihre Leinwände auf den Boden, trägt Farbe auf, die sie dann mit Stoffballen und Spachtel wieder entfernt. Übrig bleiben die Spuren ihrer Bewegungen: gegenstandslose Farbkörper, die Räume mit dreidimensionaler Wirkung öffnen. Dabei erwecken ihre Gemälde eine Reihe von kunstgeschichtlichen Assoziationen –abstrakter Expressionismus, Surrealismus und Pop Art.
Mit der Pop Art teilt Millar eine gewisse Verspieltheit. «Kunst soll unsere Vorstellungskraft ankurbeln, indem sie in das Absurde eintaucht», sagte sie einst in einem Interview. So bricht sie gerne mit Konventionen, was Format und Arbeitsabläufe angeht: Sie druckt Bild-Details um das Zehnfache vergrössert auf Plastikplanen. «Giraffe-Bottle-Gun» entstand so, eine Landschaft aus übergrossen Pinselstrichen, die an der Biennale di Venezia 2009 gezeigt wurde.
Auch die neue Serie «It to Them, to Us to I» schuf sie so. Die bis zu sieben Meter hohen, unförmigen Werke bilden das Zentrum von «The Future and the Past Perfect». Mit der Schau gewährt das Kunstmuseum St. Gallen einen Querschnitt durch mehrere Jahrzehnte von Millars Schaffen – von den grafischen Arbeiten aus Papier und Klebeband zu den energiegeladenen Gemälden. Mittendrin bildet «It to Them, to Us to I» gewissermassen das Bühnenbild für Millars Entwicklungsprozess: Eine Künstlerin hat ihren Stil gefunden. Ihre Pinselstriche nehmen nun wortwörtlich den ganzen Raum in Anspruch. Weniger wäre nicht angemessen.
Ausstellung
Judy Millar – The Future and the Past Perfect
Bis So, 19.5.
Kunstmuseum St. Gallen