Für einen Moment ist nur das Surren der Pumpe zu hören, die den Schafembryo in der künstlichen Gebärmutter mit Nährstoffen versorgt. In einer Art überdimensioniertem Gefrierbeutel liegt das kleine Tier – es ist schon deutlich als Schaf zu erkennen. 2018 liessen kanadische Forscher tatsächlich einen Schafembryo so heranwachsen. In der Ausstellung «Super» im Museum für Kommunikation ist der Versuch als Nachbildung zu sehen. Der Anblick ist so verstörend wie faszinierend. Die Macher der Schau haben das Experiment denn auch gleich weitergedacht: Ein menschlicher Embryo wächst in einer Halbsphäre, die ein Mannequin in einer Bauchtasche trägt. Ein Zukunftsentwurf für die Schwangerschaft in einer absolut gleichgestellten Gesellschaft.
Der gesellschaftliche Diskurs hinkt hinterher
Würden wir diese Möglichkeit überhaupt wollen? Wo ziehen wir eigentlich die Grenzen beim wissenschaftlichen Fortschritt? Solche Fragen stehen im Zentrum von «Super». Denn Biotechnologie, künstliche Intelligenz und Digitalisierung bieten schon heute ungeahnte Möglichkeiten. Nur, der gesellschaftliche Diskurs darüber hinkt oft noch hinterher. Das Museum für Kommunikation will seine Besucher anregen, sich kritisch mit der technologischen Gegenwart und Zukunft zu befassen.
Wie schon die letzten Wechselausstellungen des Hauses ist auch «Super» multimedial aufgebaut und lässt die Betrachter in eine andere Welt eintauchen. Dafür begeben sie sich in eine Gartenlandschaft. Bäume hängen hier am Tropf, und in Gewächshäusern passiert Unglaubliches. Willkommen in einer Welt der optimierten Körper, neuen Schöpfungen, veränderten Landschaften und frei gestalteten Identitäten.
Das Gewächs ist zu intelligent
Die Stärke dieser Schau: Trotz der futuristischen Aufmachung führen Kurator Kurt Stadelmann und Szenograf Peter Kuntner niederschwellig an die Themen heran. Das Video vom Schlagzeuger mit der wirbelnden Hightech-Prothese mag verblüffen. Doch optimieren wir mit Lesebrillen und Laser-Operationen unseren Körper nicht schon längst? Ebenso beim Thema Fortpflanzungsmedizin. Dem Eingriff in unsere Gene stehen wir skeptisch gegenüber. Doch mit der Antibaby-Pille nehmen Frauen schon seit sechs Jahrzehnten Einfluss auf ihren Hormonhaushalt.
Aber wie war das nun mit der ethischen Diskussion? Diese begegnet den Besuchern in Form von zwei Gärtnern, die regelmässig in dieser Welt der Möglichkeiten vorbeischauen. Erstmals kombiniert das Museum für Kommunikation nämlich eine klassische Ausstellung mit einer Theater-Intervention. Wäh-rend Exponate, Videos und Audiospuren einem die technologischen Entwicklungen neutral vermitteln, sollen gespielte Szenen die Besucher zum Nachdenken anregen. Einmal betrachten die beiden Gärtner etwa den Fortschritt ihrer neusten Züchtung. Gerade appetitlich sieht diese Mischung aus tropischer Frucht und Seegurke ja nicht aus. Und doch klingt sie vielversprechend: «Es wächst wie Spargel, es ist gut wie Kalbsfilet, und es wirkt wie Kokain.» Dummerweise ist da doch etwas schiefgegangen. Das Gewächs ist zu intelligent. Was nun?
Die Schau bemüht aber keineswegs einfach nur dystopische Szenarien. Im Gegenteil, sie macht deutlich: In welche Richtung sich Biotechnologie, künstliche Intelligenz und Digitalisierung entwickeln, liegt in unseren Händen. Einen kleinen Überblick kann man sich übrigens auch von zu Hause aus verschaffen: Auf der Homepage des Museums für Kommunikation gibt es «Super» als digitalen 360-Grad-Rundgang.
Super – Die zweite Schöpfung
Bis So, 11.7.
Museum für Kommunikation Bern
360-Grad-Rundgang: www.mfk.ch/super-die-zweite-schoepfung