Wenn Queen Elizabeth II. nur von hinten zu sehen ist, kann das Foto eigentlich von niemand anderem als Martin Parr stammen. Der britische Dokumentarfotograf hat sich in den letzten vier Jahrzehnten mit seiner oft humorvollen Bildsprache einen Namen gemacht. In der Ausstellung «Parrathon» im IPFO Haus der Fotografie in Olten ist ein Querschnitt seines Schaffens zu sehen, darunter auch seine Olten-Reihe von 2003.
Sonnenbadende Arbeiterschicht
Dieses Best-of mit rund 200 Fotos aus 14 Serien zeigt dem Publikum wunderbar Parrs formelle und inhaltliche Entwicklung auf. Ihren Anfang nimmt diese mit seinem Fotografiestudium im Manchester der frühen 70er. Dort wird Martin Parr bald Teil einer Bewegung junger britischer Fotografen, die neuen Wind in die Gattung bringen.
Für seine ersten Schwarz-Weiss-Arbeiten porträtiert er im Norden Englands nonkonformistische Religionsgruppen und dokumentiert den Alltag der Arbeiterklasse. Die Bilder dieser frühen Serien sind deutlich in der Tradition der humanistischen Fotografie verankert – Martin Parrs Gespür für Witz und Widersprüche ist dennoch bereits wahrnehmbar. Zu Beginn der 80er bewaffnet sich Parr mit Farbfilm, Makrolinse und Ringblitz und nimmt sich fortan mit Vorliebe des Freizeitmenschen an.
In den folgenden Jahren schiesst er jene Fotos, die ihn weltberühmt machen. Zunächst die sonnenbadende Arbeiterschicht im Seebad von New Brighton. Dort fotografiert er über drei Sommer hinweg Kinder mit Glacemündern und Rentner mit Sonnenbränden, Pommes frites klauende Möwen und vermüllte Strandpromenaden. Später sind es die Kricket-Matches der gehobenen Briten, das ausschweifende Leben der Superreichen, die Epizentren des weltweiten Massentourismus, die Exzesse der westlichen Konsumkultur.
Egal ob Parr in England, Spanien, Australien oder der Schweiz fotografiert: Seine grellen, manchmal obszön bunten Fotos vereinnahmen die Betrachter mit ihrer Kombination aus wohlwollender Ironie und bissiger Gesellschaftskritik.
Parr zielt auf vermeintlich heile Welten
Nicht immer stösst er damit auf Gegenliebe. Bei der renommierten Fotoagentur Magnum finden ihn die einen zu zynisch – Martin Parr wird 1994 dennoch aufgenommen. Anderswo fühlen sich Kritiker betupft. Kein Wunder, schliesslich zielt er gern dorthin, wo es etwas wehtun kann: auf patriotische Klischees, Mythen und vermeintlich heile Welten.
Freilich ist der heute 71-jährige Fotograf in den vergangenen zehn Jahren bisweilen etwas milder geworden. Als er 2014 jenes Foto von Queen Elizabeth II. schiesst, will Parr nicht Monarchie und Königin blossstellen. Vielmehr hat sein Foto nebst dem gewohnten schelmischen Witz auch etwas Berührendes. Die Zuschauer mit den Smartphones und die riesige königliche Limousine bilden fast eine Mauer, vor der Elizabeth II. klein und zerbrechlich erscheint. Martin Parr zeigt uns das Spektakel – aber vor allem den Menschen dahinter. Genau darum geht es doch in der grossen Fotografie.
Martin Parr – Parrathon
Bis So, 10.9.
IPFO Haus der Fotografie Olten SO