Ausstellung: Möbel machen Leute
Geschwungenes Stahlrohr trifft auf ligne claire: Das Vitra Design Museum in Weil am Rhein zeigt in einer Ausstellung, wie sich Comics und Möbelentwürfe gegenseitig beeinflussen.
Inhalt
Kulturtipp 11/2019
Simon Knopf
Design-Klassiker hin oder her, Muminpapa mag den «Butterfly Chair» nicht. Die finnische Schriftstellerin Tove Jannson lässt ihr Trollwesen im Comic von 1958 im stoffbespannten Sessel Platz nehmen: «Was für ein unbequemer Stuhl …» Ganz leger sitzt hingegen der korrupte Polizeichef Dawson im Tim-und-Struppi-Abenteuer «Der blaue Lotus» da – einen Arm hat er über die Lehne von Mies van der Rohes «Freischwinger»-Stuhl gele...
Design-Klassiker hin oder her, Muminpapa mag den «Butterfly Chair» nicht. Die finnische Schriftstellerin Tove Jannson lässt ihr Trollwesen im Comic von 1958 im stoffbespannten Sessel Platz nehmen: «Was für ein unbequemer Stuhl …» Ganz leger sitzt hingegen der korrupte Polizeichef Dawson im Tim-und-Struppi-Abenteuer «Der blaue Lotus» da – einen Arm hat er über die Lehne von Mies van der Rohes «Freischwinger»-Stuhl gelegt.
Code für den gesellschaftlichen Status
Mies van der Rohes Entwurf von 1927 passt in Hergés Comic: Die schlichte Stahlrohrkonstruktion im Internationalen Stil trifft auf die schnörkellose ligne claire der Zeichnung. Dieses Zusammenspiel zwischen Möbeldesign und Comic-Welt ist jedoch nicht einmalig, wie das Vitra Design Museum im deutschen Weil am Rhein in der Ausstellung «Living in a box» zeigt. Die Tablare der grossen Schaudepot-Regale werden hier zu Comic-Panels, die Exponate darin zu den Protagonisten ihrer eigenen Erzählung. Diese hebt den gemeinsamen Zeitgeist von Möbel und gezeichnetem Gegenstück hervor.
Populär wurde das Genre Comic ab den 1920ern – es sah sich wie das Design der Klarheit verpflichtet. So dienten den Zeichnern bekannte Möbelstücke bald als Codes, um den Lesern etwa den gesellschaftlichen Status einer Figur deutlich zu machen. Der Kniff wird auch heute noch gerne angewendet.
In der Graphic Novel «Asterios Polyp» quartiert der US-amerikanische Comic-Zeichner David Mazzucchelli seinen Protagonisten in eine Wohnung voller Designermöbeln ein: der kantige Barcelona-Sessel, der geschwungene Wasily-Stuhl und Eileen Grays Beistelltisch E 1027. Doch die klaren Liniendieser Stücke aus der klassischen Design-Moderne stehen im harschen Kontrast zum suchenden Asterios Polyp.
Ab den 1960ern orientierten sich jedoch auch Designer an den Bilderwelten von Science-Fiction-Comics. Die Inspirationen schlugen sich sowohl in materiellen wie stilistischen Experimenten nieder. Der französische Bildhauer und Designer Maurice Calka fertigte seinen «Boomerang»-Schreibtisch 1969 aus Fiberglas. Ein Stück wie das Cockpit eines Raumschiffs. Funktional? Wer weiss. Ein Blickfang? Definitiv.
Living in a Box. Design und Comics
Fr, 24.5.–So, 20.10. Vitra Design Museum Weil am Rhein (D)