Ein gefürchiger Geselle galoppiert dem Betrachter entgegen: Mit «Revolutionärer Reiter» ist diese makabre Grafik des mexikanischen Künstlers José Guadalupe Posada (1852–1913) überschrieben. Stellt sich die Frage: Was meint der indianisch-stämmige Künstler damit? Wandte sich Posada gegen den politischen Umbruch in einer von feudalen Strukturen bestimmten Neo-Kolonie? Oder misstraute er selbst ernannten Revolutionären, die der mexikanischen Bevölkerung in der zweiten Hälfte des vorletzten Jahrhunderts Heilsversprechen verkündeten? Wahrscheinlich trifft die zweite Vermutung zu, denn 1874 endet die liberale Regierungsperiode Mexikos, die auf den ersten indianischen Regierungspräsidenten, Benito Juarez, zurückging. Danach setzte bis 1910 eine Zeit der Diktatur ein, die dem Volk als revolutionärer Umschwung verkauft wurde.
Das Zürcher Kunsthaus zeigt die Arte popular von José Guadelupe Posada in einer neuen Ausstellung mit mexikanischer Grafik. Die Werke stammen aus der Sammlung des Zuger Fotografen Armin Haab (1919–1991), der nach dem Zweiten Weltkrieg erstmals nach Mexiko reiste und mit der Kamera das Leben der Einheimischen dokumentierte. Haab fand in Mittelamerika eine Kunsttradition vor, die ihn faszinierte: «Der Stil dieser Linol- und Holzschnitte, Lithographien, Radierungen und Aquatints ging mir ins Blut wie Traubenzucker», schrieb er dazu.
Bekannte und unbekannte Werke
Armin Haab legte eine systematische Sammlung an, die er später dem Zürcher Kunsthaus verschenkte: 400 Blätter und Mappen von 65 Künstlerinnen und Künstlern aus dem späten 19. Jahrhundert bis zu den 1970er-Jahren kamen zusammen. Zum Teil stammen sie von international bekannten Grössen wie Diego Rivera, viele aber kommen von Gestaltern, die in Europa weniger bekannt sind. Spannend ist der Gegensatz, etwa zwischen Posada und Rivera. Der eine setzte auf eine radikale politische Aussage, der andere auf eine gestalterisch austarierte Darstellung, welche die «Früchte der Erziehung» zeigt.
Die mexikanische Grafik hat eine lange Tradition. Die erste Druckerei auf dem amerikanischen Kontinent wurde 1535 in Mexiko gegründet; sie diente Missionaren zur Verbreitung religiöser Darstellungen. Eine ebenso künstlerisch wie politische Dimension erhielt die Disziplin 1847 in Yucatan, als die erste satirische Zeitschrift erschien. Aber ausgerechnet die Repression in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts verhilft dem Genre zum Durchbruch: Damals erschienen zahlreiche oppositionelle Publikationen, etwa volkstümliche Flugblattzeitungen, die angesichts des verbreiteten Analphabetentums begehrt waren.
Die politische mexikanische Grafik verstand sich als antikolonial. Sie dokumentiert trefflich den manifesten und unterschwelligen sozialen Protest in der Geschichte des Landes im Sinne des Zapatismus, der bis heute als politischer Mythos den Süden mitprägt.
Mexikanische Grafik
Fr, 19.5.–So, 27.8.
Kunsthaus Zürich
Ermässigte SBB RailAway-Kombis für das Kunsthaus Zürich erhalten Sie am Bahnhof oder beim Rail Service 0900 300 300 (CHF 1.19/Min. vom Schweizer Festnetz) sowie online auf
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