Ein Baum, aber kein identifizierbarer, vielmehr die Idee eines Baums. Eine Frau, aber kein Individuum, vielmehr eine Idee des Weiblichen. Das sind typische Werke der 66-jährigen Basler Künstlerin Miriam Cahn, die seit ein paar Jahren im Bergell lebt. Sie reduziert in diesen beiden Ölbildern Konkretes auf seine Strukturen, auf das Kennzeichnende.
Das Aargauer Kunsthaus zeigt diese Bilder nun in einer grossen Einzelausstellung unter dem Titel «körperlich – corporel». Cahn zählt seit Jahren zu den führenden Figuren des modernen Schweizer Kunstschaffens. In jüngster Zeit ist sie mit dem Basler Kunstpreis und dem Oberrheinischen Kunstpreis ausgezeichnet worden.
Politische Künstlerin
Ölgemälde, Zeichnungen und Fotografien verschiedener Schaffensperioden sind nun in Aarau zu sehen; im Innenhof hat die Cahn eine Installation eingerichtet: Die raumgreifende Holzarbeit «schlachtfeld/alterswerk». Die Künstlerin gestaltet die Aargauer Schau wie frühere Ausstellungen selber als einen «performativen und damit körperlichen Akt». Sie schuf auch ihre grossformatigen Werke in einer Art tänzerischen Performance.
Miriam Cahn ist eine politische Künstlerin. Ihr ist vor allem eine gerechtere Asylpolitik ein Anliegen, die Entwicklung im Nahen Osten geht ihr sehr nahe, wie sie der «NZZ am Sonntag» sagte. Ihr politisches Engagement gilt der Friedens- und Frauenbewegung. Denn Kunst ist für sie öffentlicher Diskurs, auch Privates muss politisch sein: «mein frausein ist mein öffentlicher teil», sagte sie einst.
Immer wieder greift sie auf die Geschlechterrollen zurück, auf die weiblichen und die männlichen Stereotypen, die sie verfremdet und dadurch für den Betrachter erst erkennbar macht.
Menschliche Körper oder Tiere, Landschaften, aber auch Waffen bestimmen ihr Œuvre. «Als würden sie von innen heraus leuchten, heben sich die Motive vom Bilderhintergrund ab. Dabei verschmelzen Darstellungen mit skizzenhaften Elementen, Silhouetten verlieren sich im Hintergrund», heisst es dazu im Ausstellungstext.
Alter wird ein Thema
Ursprünglich arbeitete Miriam Cahn vor allem schwarz-weiss; später kamen Aquarell- und danach Ölfarben dazu. Sie prägte den Begriff «Atombombenbilder», das war in den 1980er-Jahren mit der Atomkatastrophe von Tschernobyl, dem Chemieunfall von Schweizerhalle und dem ersten Golfkrieg.
Miriam Cahn setzt sich in jüngster Zeit zusehends mit dem Alter auseinander, nicht nur in der gestaltenden Kunst. Sie schreibt expressionistisch anmutende Texte in einem melodiösen Rhythmus: «wir waren alt wir wir waren älter alt älter und sehr alt älter. wir waren älter als früher alt waren wir sind älter.» So beginnt ein berührender Text über den letzten Lebensabschnitt.
körperlich – corporel
Sa, 24.1.–So, 12.4. Aargauer Kunsthaus Aarau