Ausstellung: Jede Ruine erzählt eine Geschichte
Das Kunst Museum Winterthur zeigt in der Ausstellung «Kunst und Krieg» Arbeiten, die sich mit dem Thema Krieg befassen. Bilder von epischen Schlachten und glorreichen Feldherren sucht man vergebens.
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Kulturtipp 21/2022
Simon Knopf
Auch kleine Formate können die Grausamkeit des Kriegs verdeutlichen. 1633 veröffentlichte der französische Künstler Jacques Callot eine Reihe von Radierungen mit dem Titel «Les Misères et les Malheurs de la Guerre». Die einzelnen Blätter messen nur gerade 8,5 auf 18 Zentimeter, doch sie haben es in sich. Plünderungen und Brandschatzungen sind darauf zu sehen, Kämpfe, Exekutionen und andere Gräuel. Callots Serie entstand während d...
Auch kleine Formate können die Grausamkeit des Kriegs verdeutlichen. 1633 veröffentlichte der französische Künstler Jacques Callot eine Reihe von Radierungen mit dem Titel «Les Misères et les Malheurs de la Guerre». Die einzelnen Blätter messen nur gerade 8,5 auf 18 Zentimeter, doch sie haben es in sich. Plünderungen und Brandschatzungen sind darauf zu sehen, Kämpfe, Exekutionen und andere Gräuel. Callots Serie entstand während des Dreissigjährigen Kriegs und gilt heute als erste Antikriegskunst Europas. Kritische Blicke auf kriegerische Handlungen sind nun im Kunst Museum Winterthur in einer neuen Ausstellung zu sehen. «Kunst und Krieg – Von Goya bis Richter» zeigt Arbeiten von der Renaissance bis in die Gegenwart. Gemälde von epischen Schlachten und glorreichen Feldherren sucht man in dieser Schau vergebens. Stattdessen bietet die Ausstellung eine kunsthistorische Konfliktgeschichte, die immer wieder auf die Gegenwart verweist.
Eindrückliche Bilder ohne Menschen
Nicht per Zufall stehen Jacques Callots Radierungen wie auch Francisco de Goyas Serie «Los Desastres de la Guerra» von 1810 im Zentrum von «Kunst und Krieg». Das Format der kleinen Druckgrafik ist jenes Gefäss, das Künstlern erstmals erlaubte, ihre individuelle und kritische Sicht auf den Krieg darzustellen. Eine Weiterführung davon findet sich dann bei Félix Vallotton. Sein Ölbild «Paysage de Ruines et d’Incendies» von 1915 zeigt eine apokalyptische Szene. Im Vordergrund qualmen neben einer vernarbten Landschaft die Überreste eines Bauernhofs, während im Hintergrund Scheinwerfer einen von Bränden rot gefärbten Wolkenhimmel absuchen. Es ist gerade die Abwesenheit von Figuren, die einen beim Anblick des Bildes schaudern lässt. Der Krieg hat die Menschen vertrieben. Doch wer die Opfer nicht sieht, malt sich ihr Schicksal noch grausamer aus. Eine der spannendsten Arbeiten in der Ausstellung ist Gerhard Richters Gemälde «Bomber» von 1963. Basierend auf einem Foto malte Richter ein Geschwader von US-amerikanischen Flugzeugen, die ihre Bomben abwerfen. Der Krieg ist hier auf ein technisches Unterfangen reduziert. Wohin die Bomben fallen, erfahren die Betrachter nicht. Somit wohnt Richters Gemälde etwas Prophetisches inne. Unsere heutige Vorstellung des Krieges ist weitgehend eine technologisierte. Kein Wunder: Krieg führende Staaten wie die USA lassen nur noch Kriegsbilder zu, die das menschliche Leid ausklammern und Sauberkeit suggerieren. Wir sehen startende Kampfjets und die nächtlichen Lichtspektakel startender Raketen. Und den Drohnenkrieg gegen den Terror verkauft man als «chirurgisch präzises» Manöver.
Die grosse Rolle der Computer
Daran werden die Besucher vielleicht auch bei Harun Farockis Videoserie «Ernste Spiele» von 2010 erinnert. Farocki filmte US-Soldaten, die Kriegseinsätze in eigens entwickelten Computerspielen üben. Das Töten und Getötetwerden findet am Bildschirm statt – bis die Soldaten tatsächlich in den Einsatz gehen. Die Rolle, die Computer im Krieg spielen, ist seither nur noch grösser geworden. Heute gehören Bildmanipulationen und Fake News mehr denn je zur öffentlichen Diskussion über Konflikte. Truppenstärke, Gräueltaten und Massengrä- ber – alles ist entweder manipuliert oder steht unter Manipulationsverdacht. Die Menschen gehen dabei bisweilen vergessen. Dabei erzählt wie bei Félix Vallotton auch jede Kriegsruine in der Ukraine eine Geschichte.
Kunst und Krieg – Von Goya bis Richter
Sa, 8.10.–So, 12.2., Kunst Museum Winterthur ZH