Vor dem Museum grüsst ein Wegweiser den Besucher. Die Installation des Basler Künstlers Florian Graf mit dem vertrauten Design schweizerischer Verkehrsschilder zeigt in drei unterschiedliche Richtungen: «Liberté, Egalité, Fraternité», eine Persiflage auf die Auswüchse der Französischen Revolution? Oder eher eine Erinnerung daran, wie unerfüllt diese Forderungen bis heute in manchen Gesellschaftsbereichen geblieben sind? Jedenfalls schicken diese Schilder die Besucher auf eine Reise, die man in den Räumlichkeiten des Kunstmuseums Olten erleben kann.
Bilder von malenden Globetrottern
Das Haus zeigt in der Ausstellung «Voyage, voyage! Über das Reisen in der Kunst» zeitgenössische Werke von rund 20 Künstlern. Aber auch die beiden einheimischen, in der Region verankerten Maler Frank Buchser und Martin Disteli aus dem 19. Jahrhundert sind vertreten. All diese Ansätze von heute und gestern haben auf den ersten Blick wenig gemeinsam: Ausser, dass sie sich mit dem Reisen im weitesten Sinn auseinandersetzen. Der Ausstellungstitel erinnert an den musikalischen Ohrwurm aus den 1980er-Jahren der französischen Interpretin Desireless.
Frank Buchser (1828–1890) machte sich einen Namen als Reiseberichterstatter. Seine abenteuerlichen Fahrten führten durch die halbe Welt, unter anderem in den Maghreb. Davon zeugen seine kunstvollen Skizzenbücher mit handschriftlichen Aufzeichnungen oder die Porträts, die er von den Menschen gemalt hat, die ihm bei seinen Unternehmungen im nördlichen Afrika begegneten: etwa von diesem ausdrucksstarken Jungen, der dem Betrachter mit nachdenklich-verträumter Miene entgegenblickt.
Von Martin Disteli (1802– 1844) sind Zeichnungen zu sehen, die er 1830 auf einer Expedition mit dem Naturforscher Franz Josef Hugi auf den Rottalgletscher anfertigte. Disteli dokumentierte das risikoreiche Unterfangen mit einem unterschwellig ironischen Ton, wie das Gemälde «Hugis Sturz» belegt.
Auf Ironie setzt auch die zeitgenössische Künstlerin Sonja Feldmeier mit ihrer Videoinstallation «Skyliner». Eine grell leuchtende Erdkugel im Weltall verweist auf die Bescheidenheit des irdischen Daseins. Eine Schnecke mit einer eigenen Weltkugel als Schale schleicht langsam über den Globus und erkundet die Erde. Das Tier nimmt die Welt, deren Bürde es selbst trägt, offensichtlich nicht wahr, aber schleimt dennoch unermüdlich von Antipode zu Antipode.
Videoinstallationen und Fotocollagen
Eindrücklich wie gewohnt sind die Fotocollagen der Künstlerin Cécile Hummel. Sie dokumentiert die Geschichte des südlichen Italiens anhand zeitgenössischer Fotografien, die sie in einem raffinierten Arrangement auslegt: Das Spektrum reicht von der Antike über Spuren des Faschismus bis zur Grandezza vergangener Jahrzehnte mit einem mondän beleuchtete Corso aus der Vogelperspektive.
Im Vergleich zu diesen stillen, fast melancholischen Fotografien geht es in der Installation «Hanjin Palermo» von Lena Maria Thüring brutal lärmig zu und her. Sie zeigt zwar auf dem einen Video stille, romantische Bildsequenzen zur See, vom weiten Meer mit den wechselnden Lichtverhältnissen. Auf einer zweiten Leinwand ist jedoch eine Gruppe Karaoke grölender philippinischer Seeleute zu sehen.
Inspirationen aus dem Reisekoffer
Die eingeblendeten Texte dokumentieren, dass diese jungen Männer allen Grund haben, sich ins trunkene Elend zu stürzen. Ihre Anstellungsbedingungen sind miserabel, sie führen das Dasein moderner Sklaven, die auf den Ozeanen für das materielle Überleben ihrer Familien zu Hause kämpfen. Diese Installation, künstlerisch wiewohl überzeugend, ist auch Dokument für soziale Missstände, die zumindest hierzulande wenig Beachtung finden.
Ungewöhnlich ist auch die Installation «Reisebüro Erker – ein Atelier des imaginären Reisens.» Der Künstler Jürg Orfei hat einen alten Reisekoffer hingestellt und mit angejahrten Landkarten, Reisebüchern oder Atlanten bestückt. Daneben steht ein Schreibpult mit Farben und Papier. Die Besucher können sich von den Reisematerialien im Koffer inspirieren lassen und am Tisch ihre eigenen Sehnsüchte zeichnen oder aquarellieren – am besten als Paar- oder Familienvergnügen. Partizipative Kunst ist nicht oft mit einer so einfachen wie überzeugenden Idee umgesetzt worden.
So lohnt sich der Besuch dieser Ausstellung als Einstimmung auf die anstehenden Ferien oder – wer nicht verreisen kann – als kleine Entschädigung für das ungestillte Fernweh.
Voyage, voyage!
Über das Reisen in der Kunst
Bis So, 20.8.
Kunstmuseum Olten