Kaum ist man im Szilassy-Park in Bex angelangt, fliegt einem etwas um die Ohren: Es sind im Kreis angeordnete, motorisierte Flugzeuge der Waadtländer Künstlerin Camille Scherrer. «Play Out» (2023) lautet der Titel der ebenso poetischen wie futuristischen Arbeit. Die aus Blech gestalteten Objekte sind in Origami-Technik und so, wie Kinder gemeinhin Flieger basteln, gestaltet. Je nach Stärke des Windes drehen sie sich langsamer oder schneller.
Kindertraum oder Reflexion über die Fragilität unserer Technologien? Das bleibt dem Publikum überlassen. Scherrer ist eine von rund 40 Kunstschaffenden der Triennale Bex & Arts, die dieses Jahr unter dem Motto «Vivement demain» läuft. Die Freiluftausstellung findet seit 1981 statt, seit 1987 im Szilassy-Park, einer Anlage des 19. Jahrhunderts im Stil eines englischen Gartens. Das verspricht einen besonderen Genuss mit herausragenden Werken der zeitgenössischen Kunst, wobei man unter seltenen Bäumen lustwandelt, sich in der charmanten Buvette verköstigt oder einfach mal im Gras sitzend innehält.
Zum Beispiel bei den Steinfiguren des Künstlers Augustin Rebetez, bekannt für anarchistische Manifeste, wuchernde Installationen und ein Figurenarsenal, das einem Naturkundemuseum oder der Hölle persönlich entsprungen scheint. In Bex zeigt der im Jura lebende Künstler eine Figurengruppe.
Eine kommt wie ein Hybrid von einem ägyptischen Obelisken und einer Teufelsgestalt daher, eine andere wie die dreidimensionale Zeichnung eines Flugsauriers. Rebetez’ Verspieltheit tut gut. Er ist einer der wenigen, die nicht explizit zum Motto «Morgen» Stellung beziehen oder zu einem Diskurs anregen wollen. Damit nimmt er eine andere wichtige Funktion von Kunst wahr: Eskapismus.
Forschend, spielerisch und poetisch
Doch auch die Positionen, die sich konkret mit den Themen der Jetztzeit beschäftigen, entführen forschend, spielerisch oder poetisch in Gegenwelten, ohne allzu didaktisch zu wirken. Das Werk des Genfer Künstlers Séverin Guelpa in Zusammenarbeit mit dem Architekturkollektiv Kunik de Morsier Architectes muss man sich über eine Leiter erklettern.
Das Video, das in der Mojave-Wüste (USA) aufgenommen wurde und sich mit den Problemen Dürre und Wassermangel auseinandersetzt, wird im Inneren einer Holzkonstruktion, die an einen Wassertank erinnert, abgespielt. «Dryland» entführt in die Gemeinschaft eines Reservats von Ureinwohnern, spiegelt aber gleichzeitig unsere Probleme wider.
Was ist Natur – was Kunst?
Ebenfalls von einem Kollektiv stammt die Arbeit «Un abri» («Unterkunft»). Die in Lausanne lebenden Kunstschaffenden Audrey Cavelius und Christophe Gonet haben eine Kulisse aus künstlichen Blumen geschaffen, die, mitten in der Natur platziert, für Irritation sorgt: Was ist Natur, was Kunst und Künstlichkeit? Eine Klangreaktion sorgt zusätzlich dafür, dass man hier stehen bleibt, um einem kleinen Spektakel beizuwohnen.
In der Mitte der künstlich begrünten Wand befindet sich eine Tür, durch die man hindurchgehen kann. Die hintere Seite zeigt die Struktur im Rohzustand und verrät, dass diese «Natur» nur eine Kulisse ist. Nicht versteckt oder in die Natur integriert ist die Arbeit «Drei Gründe fürs Patriarchat» (2021) des in Gampel und Zürich lebenden Künstlers Pascal Seiler.
Mitten im Grün leuchtet eine mit Blattgold ummantelte Vogelscheuche, gesichtslos, aber mit grossem Hut ausgestattet. Seiler spielt mit Bedeutungsebenen. Mehrere Gründe für die Unterdrückung der Frauen werden mit dieser Vogelscheuche evoziert. So erinnert die Figur in ihrer Haltung an ein Kruzifix und prangert die Macht und Dogmatik der Kirche an.
Das Gold steht für den ungleich verteilten Reichtum. Die Vogelscheuche selbst, als Verteidigerin von Grund und Boden, erinnert daran, dass Frauen der Besitz von Land bis ins 20. Jahrhundert verboten war. Ein Bezug zum Szilassy-Park wird im Programmheft verraten. Der Park wurde 1835 von Elisabeth Hope entworfen, trägt aber den Namen ihres Mannes Jules de Szilassy. Seilers Vogelscheuche ist ein Mahnmal – noch hallt das Patriarchat nach.
Bex & Arts: Vivement demain
Bis So, 24.9., Szilassy-Park Bex VD
www.bexarts.ch
Kunsttipps aus der Romandie
Bellelay JU
Das Dorf Bellelay im Berner Jura ist bekannt für seine Käsespezialität Tête de Moine und seine barocke Abteikirche. In dieser finden in regelmässigen Abständen Ausstellungen mit zeitgenössischer Kunst statt. Aktuell präsentiert die Zürcher Künstlerin Daniela Keiser ihre Installation «Das grosse Ticken – Le silence des oiseaux chanteurs». Ein riesiges Bodenbild kontrastiert und ergänzt die Architektur des monumentalen Kirchenraums. Man erkennt Brücken, Skelette und Vogelschwingen – eine Himmelsansicht, die das Gefühl erzeugt, die Welt stehe Kopf.
Das grosse Ticken – Le silence des oiseaux chanteurs
Bis So, 3.9., Abteikirche Bellelay JU
www.abbatialebellelay.ch
Fribourg
Der 1957 in Fribourg geborene Installationskünstler Flaviano Salzani hat zurzeit eine Residenz im Musée d’art et d’histoire in Fribourg. In seiner Ausstellung «Im Gleichgewicht» betritt man eine aus Textilien, Zeichnungen und Stofffiguren geschaffene «Architektur». Vogelgezwitscher begleitet das Publikum, das in ein ebenso nomadenhaftes wie labyrinthisches «Theater» eintaucht. «Ich bin kein Skulpteur, ich nehme nichts weg, ich füge hinzu», lautet Salzanis Credo.
Im Gleichgewicht
Bis So, 15.10., Musee d’art et d’histoire Fribourg
www.fr.ch/mahf
Biel BE
Die kalifornische Künstlerin Liz Craft präsentiert im Bieler Kunsthaus Pasquart mit «Liz Craft – Me Princess» ein surreal-freudianisches Universum, in dem Einhörner, Penisse und Puppen den Ausstellungsraum einnehmen. Zahlreiche Referenzen an die Hoch- und Popkultur ziehen sich durch die Schau. In einem aus Keramik gestalteten Raster, das in seiner Form an Comicsprechblasen oder Whats-App-Nachrichten erinnert, prangt der Schriftzug «Suck it Hippie!». Eine Reaktion auf die Wahl von Trump, wie die Künstlerin verriet.
Liz Craft – Me Princess
Bis So, 27.8., Kunsthaus Pasquart Biel BE
www.pasquart.ch
Genf
Die Ausstellung «Loving» im Genfer Musée Rath vereint eine Sammlung von anonymen Fotografien, welche die Liebe zwischen Männern festhält. Die Schau ist in Zusammenarbeit mit der Hugh Nini and Neal Treadwell Collection entstanden. Während mehrerer Jahre haben diese beiden US-Amerikaner anonyme Aufnahmen gesammelt, in denen man Zeichen der Liebe zwischen Männern erkennt. Es kann sich bei den Porträtierten um Brüder, Freunde oder Liebhaber handeln. Das zeitliche Spektrum reicht von 1850 bis 1950. Dokumentiert wird mit dieser einzigartigen Sammlung nicht nur die Liebe, sondern auch die Geschichte der Fotografie.
Loving
Bis So, 24.9., Musée Rath Genf
www.mahmah.ch
Lausanne
Im Lausanner Park Mon-Repos macht die Freilichtausstellung «Viti Vini Vici» den Wein zum Thema. Sieben Projekte von Kunstschaffenden interagieren mit den Begebenheiten des Parks. Entstanden ist die Ausstellung aus einer Zusammenarbeit zwischen der Stadt Lausanne, der Vereinigung Visarte Vaud und Lausanne Great Wine Capitals. Die Kunstschaffenden greifen Symbolik und Gepflogenheiten des Kulturguts Wein auf. Parallel zur Ausstellung findet das internationale Weinsymposium Great Wine Capital (22.10.–26.10.) statt.
Viti Vini Vici
Bis So, 5.11., Park Mon-Repos Lausanne
www.l-agenda.ch
Neuenburg
Die Ausstellung «Friedrich Dürrenmatt – Rebellenfiguren» im Centre Dürrenmatt in Neuenburg widmet sich den Helden, Göttern und Amazonen, die der Berner Schriftsteller und Maler entwarf. Dürrenmatt (1921–1990) liess sich in seinen Zeichnungen und Malereien oft und gerne von der griechischen Mythologie inspirieren.
Friedrich Dürrenmatt – Rebellenfiguren
Bis So, 10.12., Centre Dürrenmatt Neuenburg
www.cdn.ch