Wer richtig feiern will, tut dies wie Jay Gatsby. So zumindest lautet der Imperativ einer Party-Reihe, die sich an «Der grosse Gatsby» orientiert. In F. Scott Fitzgeralds Roman von 1925 veranstaltet ein Millionär Feste mit Jazz-Orchestern, Buffets und viel Champagner. Nach diesem Vorbild wirbt die Franchise «Party like Gatsby» seit einigen Jahren erfolgreich für ihre Anlässe: Swing-Jazz und Charleston, Bob-Frisuren und kurze Pailletten-Kleider – was halt so unter der Idee der «1920er-Jahre» im kulturellen Gedächtnis gespeichert ist.
Die Roaring Twenties, die wilden oder goldenen Zwanziger sind ein Mythos. In den USA wie in Europa war das Jahrzehnt vor allem von Turbulenzen und Gegensätzen geprägt: Armut und Glamour, linker Klassenkampf und reaktionäre Kräfte, Probleme in der Wirtschaft und Aufbruch in Wissenschaft und Kunst.
Werke von Bauhaus, Dada und Neuer Sachlichkeit
Unter diesen Vorzeichen blickt das Kunsthaus Zürich mit der Themenausstellung «Schall und Rauch – Die wilden Zwanziger» zurück. Die Schau vereint Werke von Bauhaus, Dada und Neuer Sachlichkeit; zeigt Gemälde, Fotografien, Collagen, Mode und Design von 80 Künstlerinnen und Künstlern.
Da darf natürlich George Grosz nicht fehlen. Nach dem Ersten Weltkrieg schuf der deutsch-amerikanische Maler und Karikaturist Grossstadtszenen mit Kriegsversehrten, Politikern und Prostituierten. Seine überzeichneten Figuren tummeln sich oftmals in klaustrophobischen Stadtlandschaften. Gesellschaftskritik steckt in den Gemälden: Nach dem Krieg wuchs die Bevölkerung in vielen deutschen Städten rasant an. Hunger, Arbeitslosigkeit und enge Lebensverhältnisse prägten das urbane Leben – und legten gesellschaftliche Ungleichheiten offen.
Frauen fordern die alte Ordnung heraus
Eine kritisch-satirische Haltung gibt es auch bei der deutschen Künstlerin Hannah Höch. Im Gemälde «Die Journalisten» knöpft sich die einzige Frau im Berliner Dadaisten-Kreis mit grotesken, maskenhaften Köpfen die Dada-feindliche Journalisten-Gilde vor. Doch neben all die männlichen Figuren hat Höch auf der linken Bildseite ein androgynes Mischwesen platziert. Die 1920er-Jahre waren eben auch das Jahrzehnt, in dem Geschlechterrollen aufbrachen. Frauen traten selbstbewusster auf, forderten die alte Ordnung heraus.
Auf diesen neuen Typ Frau trifft man in der Schau «Schall und Rauch» öfter. Etwa bei Christian Schad. Der deutsche Künstler der Neuen Sachlichkeit malte in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts Frauen-Porträts wie jenes seiner Freundin Maika: Bubikopf und herausfordernder Blick. Das Gemälde repräsentiert auch am ehesten jene Phase, in der die 1920er tatsächlich «golden» waren. Zwischen 1924 und 1929 erlebte die Weltwirtschaft eine kurze Blüte. Die US-amerikanische Tänzerin und Sängerin Josephine Baker eroberte Paris, Berlin und Bern im Sturm. Ihre Kunst war körperlich und wild und passte somit zu einem fiebrigen, losgelösten Lebensgefühl.
Das Kunsthaus Zürich zeigt jedoch auch, dass von den 1920ern mehr als der Mythos nachhallt. Damals arbeitete man am Bauhaus auch an Kunst- und Design-Visionen für eine neue demokratische Gesellschaft. Diese Denkweise lebt heute nicht nur als Designklassiker weiter. Die iranischstämmige Zürcher Künstlerin Shirana Shahbazi überlagert in ihrer Fotoarbeit «Composition with Mountain» ein Felsmassiv mit verschiedenfarbigen, geometrischen Formen. Johannes Ittens abstrakte Farbarbeiten klingen da mit – und somit auch die Aufforderung, die Welt anders zu sehen. Für die Utopien von damals gäbe es auch heute Platz genug.
Schall und Rauch – Die wilden Zwanziger
Fr, 3.7.–So, 11.10. Kunsthaus Zürich