Eine Ritze durchzieht die stimmige Oberfläche des Gemäldes. In den Worten des verstorbenen französischen Philosophen Gilles Deleuze ist «ein stiller Riss auf der Oberfläche ein einzigartiges Ereignis». Mit weitreichenden Konsequenzen für die menschliche Psyche. Deleuze nimmt mit seinen Rissen Bezug auf den Essay «The Crack Up» des US-Schriftstellers F. Scott Fitzgerald, für den der Bruch seine seelischen Nöte in der Depression symbolisierte. Das ist ein Erklärungsansatz für die feinen Brüche in den Werken von Markus Amm.
Das Kunsthaus Baselland zeigt die erste umfassende Werkschau des 48-jährigen Gestalters in der Schweiz. «Er wird einen Überblick seiner faszinierenden, bisweilen rätselhaften Malereien ermöglichen, mit denen er auf subtile Weise Fragen nach dem Farbauftrag und den Farbverläufen verhandelt», verspricht das Kunsthaus in einer Vorschau. Dazu dienen unter anderem die sogenannten Gesso-Grundierungen auf Amms Leinwänden, ein – sofern selbst gefertigt – aufwendiges Verfahren mit Kreide in der italienischen Maltradition, das die Farbintensität fördert.
Amms Werke waren bereits in bekannten Häusern zu sehen, etwa im Los Angeles County Museum of Art oder in der Londoner Saatchi Gallery. Nach jahrelangen Aufenthalten im Ausland lebt er heute in Genf. Hinter seinen Bildern verbirgt sich aus seiner Sicht eine Weltanschauung. «Die Moderne ist mehr als eine Formensprache oder ein Vokabular. Da geht es auch um die Idee einer multikulturellen Gesellschaft und Aufklärung», sagte er zu einer früheren Ausstellung in Deutschland. Allerdings sei der Glanz dieses Mythos angesichts «ökologischer und sozialer Katastrophen» etwas verblichen.
Sich mit Humor und Ironie der Moderne nähern
Künstlerisch bezieht sich Amm auf die früheren Avantgardisten, die russischen Konstruktivisten und später das Bauhaus. Hier beschäftigen ihn die Bezüge zu japanischen Ausdrucksformen wie etwa in der Architektur. Solche fernöstlich-europäischen Verbindungen prägten ihn.
Das alles tönt ernsthafter, als es gemeint ist. Laut Amm «kann man ja nicht so tun, als ob man die Moderne neu erfindet». Vielmehr brauche es Humor und Ironie, um sich ihr anzunähern. Es gehe ihm nicht um «heilige Werte, die sagen, das ist endgültige und zeitlose Schönheit». Die Beschäftigung mit der Moderne bedeute vielmehr, sich von künstlerischen Klischees zu befreien.
Vor allem aber verspricht die Baselbieter Ausstellung ein intensives Farberlebnis. Wer sich diesen Werken aussetzt, kann einem sinnlichen Rauscherlebnis verfallen, das sich weltanschaulichen Wertevorstellungen und kunsttheoretischen Einsichten entzieht.
Markus Amm
Fr, 28.4.–So, 16.7.
Kunsthaus Baselland Muttenz