Ausstellung - Drogenpillen in Design verpackt
Eintauchen in die Fantasie: Das Landesmuseum in Zürich entführt die Besucher in die Welt des «Postmodernism» – eine packende Reise durch einst provokatives Design.
Inhalt
Kulturtipp 14/2012
Rolf Hürzeler
Sinn oder Unsinn? Das ist ungefähr die einzige Frage, die sich die Postmoderne verbittet. Der zerfliessende «Choco Chair» des Schweizer Entwerfers Robert Haussmann aus dem Jahr 1967 ist einfach eine Idee – nicht mehr und nicht weniger. Man kann sie originell finden oder banal; der Stuhl bringt jedenfalls die Idee der Postmoderne auf den Punkt: Nichts ist, wie es ist. Alles ist anders. Nämlich so, wie es jede und jeder sehen will.
Das Zürcher Landesm...
Sinn oder Unsinn? Das ist ungefähr die einzige Frage, die sich die Postmoderne verbittet. Der zerfliessende «Choco Chair» des Schweizer Entwerfers Robert Haussmann aus dem Jahr 1967 ist einfach eine Idee – nicht mehr und nicht weniger. Man kann sie originell finden oder banal; der Stuhl bringt jedenfalls die Idee der Postmoderne auf den Punkt: Nichts ist, wie es ist. Alles ist anders. Nämlich so, wie es jede und jeder sehen will.
Das Zürcher Landesmuseum zeigt diesen Sommer die Ausstellung «Postmodernism. Style and Subversion 1970–1990». Die gleiche Schau war im vergangenen Winter im Londoner Victoria and Albert Museum zu sehen. Besucher erfuhren dort eine Höllenfahrt durch alle ihre Sinne – und spürten am Ende Anzeichen mentaler Erschöpfung. «Diese Ausstellung ist lärmig, zerstückelt, unordentlich – eine Kakofonie», schrieb der Rezensent des «Guardian» leicht entnervt.
Tatsächlich gibt es viel Herausforderndes zu sehen. Neben Möbeln wie dem Objekt von Haussmann oder dem Stuhl des Italieners Alessandro Mendini auch weltbekannte Sujets wie Andy Warhols mächtiges Dollarzeichen (1981) oder ein «Mutterschaftskleid» der Sängerin Grace Jones. Und vom verstorbenen italienischen Designer Ettore Sottsass sind kleine farbige Keramik-Totems ausgestellt, die sich angeblich für das Aufbewahren von Drogen- oder Antibabypillen bestens eigneten. Sie sehen auf den ersten Blick aus wie aufeinandergeschichtete Pillendosen.
Nicht für die Ewigkeit
Der Postmoderne ist es ergangen wie vielen andern künstlerischen Bewegungen: Sie war zuerst subversiv, weil sie sich den Konventionen des Kunstbetriebs entgegenstellte. Heute ist sie kommerziell, der profitorientierte Kunstbetrieb hat das einst Subversive längst absorbiert. So sind zwar die Keramikteile für Drogenpillen ästhetisch packend, über die angebliche Funktion kann man indes nur noch müde lächeln. Auch das Wand-Zitat des englischen Schriftstellers und ehemaligen Provokateurs Martin Amis hat seine Sprengkraft längst verloren: «Dem Geld ist es schnurz, wenn man es als übel bezeichnet.» Witziger dagegen das Bekenntnis der US-amerikanischen Künstlerin Jenny Holzer: «Bewahrt mich vor all dem, was ich verlange.»
Diese Ausstellung zeigt an, dass nicht alle Objekte der Postmoderne für die Ewigkeit wichtig bleiben. So erscheint es nicht zwingend, dass man in einigen Jahrzehnten von einem Designer wie Philippe Starck noch sprechen wird.
Ein Höhepunkt der Ausstellung ist eine Installation der US-amerikanischen Performance-Künstlerin Laurie Anderson mit einer Sequenz ihrer Single «O Superman» aus einer Loft. Die an die Wand projizierte Einspielung wirkt heute noch so frisch wie je; man könnte der Frau stundenlang zuhören.
Nach dem Gang durch die Ausstellung ist der Besucher nicht nur voll der Eindrücke. Er fühlt sich auch ein bisschen ratlos und allein gelassen mit der Frage: Was ist nun die Postmoderne genau? Eine schlüssige Antwort darauf gibt es vielleicht nicht, diese Schau liefert jedenfalls keine. Da helfen auch Rückgriffe auf die intellektuellen Vordenker der Bewegung wie Jacques Derrida oder Michel Foucault wenig. Es sei denn, man gebe sich zufrieden mit deren Behauptungen wie: «Die Postmoderne ist Nachahmung, ist Parodie, Ironie und ein Paradox.»