Das Zimmer spiegelt farblich die wunderbare äussere Welt mit dem Blau des Meeres im Hintergrund. «Intérieur à Collioure» heisst das Stillleben des französischen Künstlers Henri Matisse, gemalt 1905 im gleichnamigen Städtchen in der Region Côtes Catalanes. Das Ölbild in den dominierenden Farben Grün und Blau überträgt die Intensität des Sommertags auf den Betrachter. Die auf dem Bett liegende Frau akzentuiert die eindringliche Stimmung. Um das Farbspiel zu verdeutlichen, wagte es Matisse, das Weiss der Leinwand durchschimmern zu lassen, was die optische Wirkung erhöht.
Das Gemälde gilt als ein Standardwerk der «Fauves», der französischen «Wilden», die sich kurz nach der vorletzten Jahrhundertwende von den Impressionisten lösten und neue Ansätze suchten. Das Bild ist in der Ausstellung «Matisse, Derain und ihre Freunde» im Basler Kunstmuseum zu sehen. Sie versammelt 160 hochkarätige Werke dieser ebenso kurzen wie wichtigen Epoche der modernen Malerei zwischen 1904 und 1908. Im Mittelpunkt stehen die Farbexperimente von Künstlern wie Henri Matisse, André Derain oder Georges Braque.
«Fauves» war zunächst ein abschätziger Begriff
Die Schau beleuchtet auch die Rolle der Kunstkritik und des Kunstmarkts in jener Zeit, an die der Kubismus unmittelbar anschliesst, um sich der Farbeuphorie zu entziehen. Die Bezeichnung «Fauves» stammt übrigens vom konservativen Kunstkritiker Louis Vauxcelles. Er verwendete das Wort, als er 1905 über eine Ausstellung von Künstlern im Salon d’Automne in Paris schrieb. Diese verstanden sich zwar keineswegs als Bewegung, doch Kritiker Vauxcelles fasste sie unter diesem abschätzig gemeinten Begriff zusammen.
Tatsächlich hatten es die farblich intensiven Bilder zunächst schwer beim Publikum. Der Kunstkritiker dürfte damals manchen überforderten Besucherinnen und Besuchern aus der Seele gesprochen haben. Hinzu kommt, dass einzelne Bilder wie «La femme en chemise» von André Derain gegen die bürgerlichen Moralvorstellungen verstiessen. Er malte mit scheinbarer Leichtigkeit skizzenhaft eine Tänzerin im Pariser Club «Le rat mort»; dort, wo früher Toulouse-Lautrec seine Modelle gefunden hatte. Derain wählte indes einen weniger zurückhaltenden Ansatz als sein Vorgänger. Die Darstellung der Frau ist plakativ.
Sie schaut den Betrachter wie auf einer Fotografie direkt und offen an, hat nichts zu verheimlichen. Dieser Stil passte genau zu den Überlegungen, die der 39-jährige Henri Matisse in seinen «Notizen eines Malers» festgehalten hatte. Er forschte nach einer Malerei ohne «beunruhigenden Inhalt», die «Ausgewogenheit, Reinheit und Gelassenheit sucht». Da verwundert es nicht, dass ihn der abschätzige Begriff «Fauves» ärgerte.
Die jüngere Generation glaubte an Aufbruch
Die Bezeichnung mag dem damaligen Zeitgeist entsprochen haben, der Bürgerlichkeit im Geiste des Kritikers Vauxcelles. Aber die jüngere Generation glaubte an Aufbruch, damals schien alles erreichbar. Niemand konnte sich vorstellen, dass der Kontinent ein Jahrzehnt später in Trümmern liegen würde. So ist die Resonanz verständlich, welche die «Fauves» auslösten.
Eine Künstlergruppe in der Normandie, in Le Havre, mit Malern wie Raoul Dufy oder Georges Braque experimentierte mit den Farben gleichermassen wie Matisse und seine Gefährten, und sie stellten schon bald gemeinsam aus. Auch Werke dieser Meister sind in Basel zu sehen.
Matisse, Derain und ihre
Freunde – Die Pariser
Avantgarde 1904–1908
Sa, 2.9.–So, 21.1.
Kunstmuseum Basel