Hausarbeit, das wissen vermutlich alle, kann wohltuende Entspannung sein, aber auch eine immer wiederkehrende und nervende Mühsal. Diese Zweischneidigkeit wird einem selten so bewusst wie beim Anblick von Evelina Cajacobs Videoarbeit «HandArbeit II» von 2012. Auf einen Stapel weisser Küchentücher projiziert, zeigt das Video Hände, die ebensolche Tücher falten. In ihrer Ruhe hat diese Arbeit auf die Betrachterin und den Betrachter eine meditative Wirkung. Und reibt einen doch irgendwann auch auf: Die Hände falten und falten in der Endlosschleife ihres Videos. Der Tücherhaufen selber aber will und will nicht kleiner werden.
Die Freiheit, sich neu zu erfinden
Cajacob schuf gleich mehrere solcher Videos, in denen Hände einen Arbeitsschritt immer wieder vollziehen, etwa auch in der Videoinstallation «Il paun da mintgadi (das tägliche Brot)» von 2011/2012, in der ein Teig unaufhörlich geknetet wird. Welch wichtige Bedeutung das Element der Wiederholung in ihrem Œuvre hat, zeigt nun das Bündner Kunstmuseum mit der Ausstellung «Evelina Cajacob. Tanzen anders». Diese bietet erstmals einen Überblick ihres Kunstschaffens aus einem Vierteljahrhundert. In elf Räumen werden Objekte, Zeichnungen und Videoinstallationen der Künstlerin gezeigt, die heute im Bündner Dorf Malans lebt.
Evelina Cajacob wurde 1961 in Sumvitg geboren und wuchs in der Surselva auf. Schon als Teenager verspürte sie aber den Drang, anderswo ein eigenes Leben aufzubauen. Also verliess sie die Region, um sich zur Krankenpflegerin ausbilden zu lassen; verliess schliesslich die Schweiz, um in Barcelona fünf Jahre an der Escuela superior de Bellas Artes «Escola Massana» Kunst zu studieren. «Die Fremde gibt einem die Freiheit, sich neu zu erfinden», sagte sie in einem Interview über ihre Zeit in Spanien. Dort entdeckte sie auch ihre Freude am räumlichen und installativen Schaffen.
Als bildhauerisch bezeichnet Evelina Cajacob denn auch ihre Zeichnungen, mit denen sie vor allem bekannt wurde. Diese Sichtweise ist nachvollziehbar: Cajacob bündelt Hunderte von Bleistift- und Farbstiftlinien zu Strukturen, die eine erstaunliche räumliche Wirkung entfalten. Diese Kompositionen erinnern an feine Stoffbahnen – man glaubt, sie berühren zu können.
Linien als formbarer Werkstoff
Die Linie ist neben der Repetition das zweite Element, das in Evelina Cajacobs Arbeiten einen festen Platz einnimmt. In ihrer Videoarbeit «BergZeichen» von 2017 entwickelt die Künstlerin die Ideen ihrer Zeichnungen weiter, indem sie die Linie zum formbaren Werkstoff macht. Zwei Hände bewegen ein Nylonseil auf schwarzem Grund, legen es in Schleifen, strecken es zu einer Waagrechten. Und die Betrachter entdecken darin Küstenlinien, Höhenkurven, amorphe Figuren und abstrakte Bildräume. Dafür bleibt ihnen jedoch immer nur ein kurzer Moment, dann geht der Schöpfungsprozess von Neuem los. Die Zeit ruht nie. Und bei Evelina Cajacob schon gar nicht.
Evelina Cajacob.
Tanzen anders
Sa, 21.3.–So, 7.6.
Bündner Kunstmuseum Chur