Man könnte Olafur Eliasson für einen Landschaftsgestalter halten, denn er erschafft seine eigene Version der Natur. Flüsse fliessen kitschgrün durch Metropolen, und gelbe Nebel hüllen ganze Gebäude ein. Grelle Sonnen glühen im Innern von Museen, und haushohe Wasserfälle ergiessen sich aus dem Nichts. Ja, man könnte Olafur Eliasson für einen Landschaftsgestalter halten, einen, der im ganz grossen Stil arbeitet.
Eine sinnliche Erfahrung
1000 Quadratmeter wird der dänisch-isländische Künstler für die Ausstellung «Symbiotic Seeing» im Kunsthaus Zürich bespielen. Er wird neue Skulpturen präsentieren, vor allem aber eine exklusive Installation, mit der er das Verhältnis und die Hierarchie von Menschen und anderen Spezies auf der Erde hinterfragen möchte. Bezüglich Details hält sich das Kunsthaus noch bedeckt. Doch wir sprechen hier von Olafur Eliasson, für die Besucherinnen und Besucher wird «Symbiotic Seeing» zweifelsohne eine sinnliche Erfahrung werden.
Schon als Kunststudent fand der Künstler zu den Elementen, die sein Schaffen bestimmen: Wasser und Licht. 1993 liess er für «Beauty» einen Scheinwerfer auf einen Sprühnebel zünden und zauberte so einen Regenbogen in einen Ausstellungssaal. Die Arbeit spielte mit den Erwartungen der Besucher an bestimmte Alltagsräume und Naturphänomene. Allmählich begann Eliasson, seine Arbeiten zu vergrössern. Für «Green River» färbte er zwischen 1998 und 2001 in mehreren Städten Flüsse mit einem ungiftigen Farbstoff ein. Die Öffentlichkeit hatte er zuvor nicht darüber informiert, die Reaktion der Menschen sollte Teil seines Werks sein. Noch heute findet man im Internet die Videos: Verblüffte Passanten filmen in Tokio einen grünen Fluss, durch den ein ebenso verblüffter Reiher stapft. Geradezu surreal muten seine Wasserfälle an, die er ab 1998 immer wieder an verschiedenen Orten und in unterschiedlicher Grösse aufbaute. Gleich vier davon liess er etwa 2008 an der Südspitze von Manhattan fünf Wochen lang von riesigen Gerüsten stürzen. Mitten in der Urbanität sahen sich die Menschen mit dem Geräusch und der Wucht eines Phänomens konfrontiert, das dort eigentlich nichts verloren hat.
Veränderungen vor Augen führen
Aber der 52-jährige Eliasson kann auch sanfter. «Your Rainbow Panorama» zum Beispiel ist ein 150 Meter langer, kreisrunder Tunnel aus gefärbtem Glas, der auf dem Dach des Kunstmuseums Aros im dänischen Aarhus steht. Der Künstler lässt die Besucher durch einen Regenbogen wandeln – die Stadt und der eigene Körper werden abwechselnd in Rot-, Gelb-, Grün- und Blautöne getaucht.
Olafur Eliasson fordert unsere Wahrnehmung heraus. So verspielt sein Œuvre erscheinen mag, geht es ihm dabei immer auch um das Verhältnis der Menschen zueinander und zur Natur. Dies wurde vor allem in den vergangenen Jahren deutlich. Mit «Ice Watch» versuchte er, den Menschen dramatische Veränderungen vor Augen zu führen. Mannshohe Eisbrocken des isländischen Vatnajökull liess er dafür vor der Tate Modern in London platzieren – und holte so den drastischen Schwund des Gletschers ins Zentrum einer europäischen Metropole. «Es ist manchmal auch ein bisschen Arbeit, ins Museum zu gehen», sagte Eliasson 2019 in einem Gespräch in einer Fernsehsendung des «Ersten». «Wir sind hier, um uns selber zu hinterfragen, uns selber in dem Kontext der Welt zu sehen.» Na dann, rein in Olafur Eliassons sinnliche Form der Selbstreflexion.
Olafur Eliasson – Symbiotic Seeing
Fr, 17.1.–So, 22.3.
Kunsthaus Zürich