Göttinnen können alt werden, sehr alt sogar. Diese Aschera-Figur stammt aus der Eisenzeit, 750 bis 620 vor unserer Zeitrechnung. Sie ist aus gebranntem Ton gefertigt und stammt aus Judäa, die Bemalung ist erstaunlich gut erhalten. Das althebräische Wort Aschera steht für Meeresgöttin. Die Bezeichnung kommt etwa 40 Mal in der Bibel vor und bedeutete Göttin schlechthin. Das ist einer der zahlreichen Hinweise in frühen religiösen Schriften, dass die menschliche Vorstellung einer Gottheit männlich oder weiblich sein konnte.
Das Jüdische Museum Hohenems im vorarlbergischen Rheintal behandelt in einer neuen Ausstellung «die weibliche Seite Gottes». Im biblischen Buch Genesis heisst es: «Gott schuf den Menschen als sein Abbild; als Abbild Gottes schuf er ihn.» Und weiter: «Als Mann und Frau schuf er sie.» Da drängt sich die Schlussfolgerung auf, dass der Mensch an sich – ob Frau oder Mann – nach dem Allmächtigen geschaffen wurde.
Mit der Ausstellung wird die Frage nach der Geschlechtlichkeit in den monotheistischen Religionen gestellt: «Kann der nach jüdischer, christlicher oder muslimischer Tradition ‹einzige Gott› auch anders als männlich verstanden werden?»
Von der jüdischen Mystik bis zur Gegenwart
Die Schau wirft einen kritischen Blick auf die Quellen, aus der sich die Idee des «einen Gottes» speiste. Sie entdeckt verborgene und verdrängte Überlieferungen ungewöhnlicher Vorstellungen des Göttlichen: «Die Möglichkeit einer – mal mehr, mal weniger – sexuell weiblich definierten Dimension Gottes blitzt in der hebräischen Bibel, in ausserkanonischen Schriften und in der rabbinischen Literatur auf», heisst es im Ausstellungstext.
Am deutlichsten lebt heute die weibliche Gottheit in der jüdischen Mystik fort und wurde im 20. Jahrhundert wieder entdeckt, zum Beispiel in den Arbeiten von Künstlerinnen, die sich nicht nach überkommenen Bildern von Geschlecht und Heiligkeit richten wollen. So setzte etwa die Musikerin Madonna auf die Kabbala-Lehre mit ihren Stufen der Weisheit.
Die Installation «Grüss Göttin» der österreichischen Künstlerin Ursula Beiler ist das moderne Gegenstück zur antiken Aschera-Figur. Die ungewöhnliche Tafel heisst die Besucher am Eingang zum Tirol bei Kufstein willkommen und ist jetzt in Hohenems zu sehen. Die Inschrift will daran erinnern, wie sehr die Gottesvorstellung trotz der weiblichen Vorstellungen in alten Schriften bis heute männlich geprägt ist. Die Künstlerin sieht ihr Werk auch in der christlichen Tradition des Marienkults, der im katholisch geprägten Tirol sehr präsent ist, und den sie als christliche Variante eines weiblichen Gottes versteht. In diese Tradition gehört auch die Konstanzer Nonne Dorothea von Hof (1458–1501), deren «Deutsches Gebetbuch» aufgelegt ist. Einen ganz anderen Akzent setzen die Werke der arabischen Künstlerin Fatma Abu Rumi, die sich mit der Religiosität islamischer Frauen auseinandersetzt.
Mit diesen unterschiedlichen Ansätzen zeigt die Schau die Vielschichtigkeit der Geschlechterfrage in Glaubensbekenntnissen.
Die weibliche Seite Gottes
So, 30.4.–So, 8.10.
Jüdisches Museum Hohenems (AT)