Eine schöne Frau mit feuerrotem Kleid und weissem Federhut läuft Schlittschuh – schräg aus dem Bild heraus scheint sie direkt auf den Betrachter zuzufahren und verliert dabei beinahe das Gleichgewicht. Ihr Begleiter in schwarzem Anzug hält sie gerade noch zurück und hat von hinten ihre rechte Hand gepackt. Die anderen Eisläufer im Hintergrund haben offenbar ebenfalls Schwierigkeiten, die Balance auf der spiegelglatten Fläche zu halten.
«Das ‹Palais de Glace› (1896–1898) ist wahrscheinlich das schönste Bild von Pierre Bonnard», schwärmt Matthias Frehner, Direktor Sammlungen im Kunstmuseum Bern und Zentrum Paul Klee. Für ihn zählt es zu den absoluten Highlights der aktuellen Ausstellung mit dem vielversprechenden Titel «Van Gogh bis Cézanne, Bonnard bis Matisse».
Eine neue Heimat auf Zeit
Die Werke der Ausstellung stammen aus der Sammlung des Ehepaars Hedy und Arthur Hahnloser aus Winterthur. Sie umfasst wichtige Kunstwerke der klassischen Moderne – von den Impressionisten und Postimpressionisten bis zu den Nabis-Künstlern und Fauvisten. Ein grosser Teil befindet sich seit 1980 im Besitz der Hahnloser/Jaeggli Stiftung mit Sitz in der Villa Flora in Winterthur. Deren vornehme Stattlichkeit hat der französische Maler Henri-Charles Manguin 1912 in einem Gemälde eingefangen. Dort wurden die Werke über 20 Jahre in wechselnden Ausstellungen gezeigt. Aufgrund der vorübergehenden Schliessung der Villa Flora wurden sie nun für fünf Jahre ans Kunstmuseum Bern ausgeliehen. Frehner ist stolz, ihnen in Bern eine Heimat auf Zeit zu bieten: «Es handelt sich um eine der bedeutendsten Kunstsammlungen der Schweiz, die vielen Museen als Vorbild diente.»
Hedy und Arthur Hahnloser sammelten zwischen 1907 und Ende der 1930er-Jahre zahlreiche Werke von zeitgenössischen Künstlern. Ursprünglich wollten sie nur Kunst von Schweizern wie Ferdinand Hodler oder Giovanni Giacometti erwerben, doch auf Empfehlung des befreundeten Malers Carl Montag besuchten sie die Ateliers von französischen Künstlern und waren begeistert.
Gegen konservative Widerstände
Von nun an machten sie sich in der Schweiz für die Kunst aus Frankreich stark – anfangs gegen konservative Widerstände. Die Hahnlosers hatten ein progressives Kunstverständnis und setzten etwa im Kunstverein Winterthur durch, dass moderne Werke wie Hodlers «Abendruhe» erworben wurden. Sie suchten den persönlichen Kontakt zu den Künstlern und kauften die Werke direkt von ihnen – häufig gleich mehrere Gemälde auf einmal. Hedy Hahnloser pflegte darüber hinaus intensive Briefwechsel mit den Künstlern, die zum Teil veröffentlicht sind.
Ihr Sohn, der Kunsthistoriker Hans Robert Hahnloser, hielt die enge Verbindung zur französischen Kunst aufrecht und beeinflusste damit unter anderem die Sammlung im Kunstmuseum Bern. «Wie stark die Familie unsere Sammlung geprägt hat, ist mir bewusst geworden, als ich vor zwei Jahren die Geschichte des Museums neu geschrieben habe. Laut der Protokolle war es fast immer Hans Robert Hahnloser, der sich für die Kunst aus Frankreich eingesetzt hat», erinnert sich Frehner. Zudem schenkte das Paar dem Kunstmuseum Bern zwei bedeutende Gemälde, die zu den Attraktionen seiner Sammlung zählen: Die «Sonnenblumen» von Vincent Van Gogh und «Die Entführung der Europa» von Félix Vallotton.
Herzstück mit Van Gogh und Cézanne
Über die Stiftungsbestände hinaus ist es Matthias Frehner dank guten Beziehungen zur Familie Hahnloser gelungen, zusätzliche Werke der Sammlung, die sich im Privatbesitz der Nachkommen befinden, für die Ausstellung in Bern zu bekommen: Manche Bilder wie etwa Bonnards «Palais de Glace» oder das «Nachtcafé» von Vincent Van Gogh sind schon lange nicht mehr ausgestellt worden.
Die Ausstellung im historischen Stettlerbau des Kunstmuseums Bern ist der Sammlungsgeschichte entsprechend aufgebaut: Sie beginnt mit Schweizern wie Ferdinand Hodler und Giovanni Giacometti und zeigt die ersten Erwerbungen von französischen Künstlern. Das Herzstück ist ein Raum mit Vincent Van Gogh und Paul Cézanne. Es folgen die Nabis-Künstler wie Edouard Vuillard und Ker-Xavier Roussel und schliesslich die «wilden» Fauvisten wie Henri Matisse. Um die Atmosphäre der Villa Flora einzufangen, werden neben Fotos auch einige von Hedy Hahnloser selbst designte Möbelstücke und eine Tapete gezeigt.
Für die Besucherinnen und Besucher gibt es neben einem Handbuch zur Ausstellung öffentliche Führungen und ergänzende Vorträge, zum Beispiel von Bettina Hahnloser. Sie hat die Biografie «Revolution beim schwarzen Kaffee» über ihre Urgrossmutter Hedy Hahnloser geschrieben.
«Van Gogh bis Cézanne, Bonnard bis Matisse – Die Sammlung Hahnloser»
Fr, 11.8.–So, 11.3.
Kunstmuseum Bern
Buch
Bettina Hahnloser
«Revolution beim schwarzen Kaffee» 332 Seiten mit 72 Illustrationen
(Verlag NZZ 2014).