Sorgen Sie sich um die steigenden Benzinpreise, möchten Ihr Auto aber dennoch nicht aufgeben? Pippa Garner hat die Lösung: das Tretauto. 2007 ersetzt die US-Künstlerin Motor und Getriebe eines Honda durch Zahnkranz, Kette und Pedale. Die Skulptur «Das sparsamste Auto der Welt» ist eine für Garner typische Satire auf unsere autoversessene Welt.
Aber eben nicht nur: Ab und an kreuzt sie tatsächlich mit einem ihrer selbst gebauten Mini-Tretautos durch Los Angeles. Pippa Garner schafft sich die Welt eben, wie es ihr gefällt. Die Kunsthalle Zürich führt mit der Ausstellung «Act Like You Know Me» ins aussergewöhnliche Schaffen der 81-Jährigen ein.
Die Schau, die zuvor in München zu sehen war, ist die erste überhaupt, die Garners Arbeiten einem europäischen Publikum vorstellt. Diese Retrospektive über 50 Jahre ist eine fragmentarische. Denn neben Zeichnungen und Videos sind es vorwiegend Fotografien, die heute noch von ihren Installationen, Skulpturen und Performances existieren. Zahlreiche Originalwerke gelten als verschollen, wurden von Garner verschenkt oder rezykliert. Doch auch das passt irgendwie zu ihr: Pippa Garner umgibt das Flüchtige, der stete Wandel.
Garner will keinem Stereotyp entsprechen
Die Künstlerin kommt 1942 als Philip Garner zur Welt. Getrieben vom Traum, Autodesigner zu werden, beginnt Garner in den frühen 1960ern, im renommierten Department für Transportation Design am Art Centre California zu studieren. Garner wird 1966 für den Vietnamkrieg eingezogen, dient in einem Com- bat Art Team, das den Krieg in Skizzen und Illustrationen dokumentiert. Danach nimmt er das Studium am Art Centre California wieder auf, wird 1969 jedoch von der Hochschule verwiesen.
Mit dem Entwurf «Kar- Mann (Half Human Half Car)» (siehe links oben) hat Garner die autobegeisterte Fakultät vergrämt: Die Skulptur zeigt einen Zentaur, halb Auto, halb Mensch, der wie ein urinierender Hund das Bein hebt. Bizarre Designs und ein kritischer Blick auf die US-Gesellschaft werden zu Garners Markenzeichen. Er entwirft fahrbare Fernsehsessel, baut monströse Jacht-Autos oder den «Backwards Car», dessen Karosserie verkehrt herum auf dem Fahrgestell sitzt.
Mit solch köstlich unsinnigen Erfindungen arbeitet sich Garner aber nicht nur am Fetisch Auto ab, sondern richtet seine Satire auch auf die verschwenderische Konsumkultur, auf die Versprechen der Leistungsgesellschaft und auf rigide Geschlechterbilder.
Dabei wird Garner selber zu seinem grössten Projekt: Ab 1984 unterzieht sich Garner mit Östrogen aus dem Schwarzmarkt einer Geschlechtsumwandlung. «Ich hatte nie das Gefühl, im falschen Körper geboren zu sein», sagt die Künstlerin später einmal dazu. «Ich will einfach verhindern, jemals wieder einem Stereotyp zu entsprechen.»
Späte Akzeptanz in der Kunstszene
Mit ihrer eigenwilligen Konzeptkunst isoliert sich Garner lange. Ihre Art der Geschlechtsumwandlung wird von der LGBTQ+-Gemeinschaft zunächst als Spott missverstanden. Und weil viele ihrer Arbeiten hauptsächlich in Magazinen wie etwa «Rolling Stone » oder «Esquire» erscheinen, nimmt die Kunstszene sie nicht ernst. Dank abgeflachten Hierarchien in der Kunstwelt und einem grösseren Bewusstsein für nicht-binäre Geschlechts- identitäten erfährt Pippa Garner heute die Aufmerksamkeit, die sie verdient hat. Und das ist gut so. Jeder Herrscher braucht einen Hofnarren, der ihm den Spiegel vorhält. Und solange in der westlichen Welt der Konsum König ist, brauchen wir jemanden wie Pippa Garner.
Pippa Garner – Act Like You Know Me
Sa, 4.2.–So, 14.5.
Kunsthalle Zürich