Der Kunstband muss ja ausgesehen haben! Zig Abbildungen hatte Wim Wenders aus dem Buch herausgetrennt, mit Reissnägeln an die Wand seines Büros gepinnt. Damit der Regisseur und sein Kameramann Robby Müller sich inspirieren lassen konnten: von Edward Hopper, dem grossen Maler US-amerikanischer Landschaften.
Das Filmdrama «Der amerikanische Freund» von 1976 sieht tatsächlich aus, als habe Edward Hopper (1882–1967) die Hälfte der Szenen für Wenders komponiert: die leere New Yorker Strasse in der Anfangseinstellung, die Figur des Malers Derwatt am Atelierfenster, die New York Bay in der Abenddämmerung. Die herausgetrennten Illustrationen habe er später wieder ins Buch geklebt, schrieb Wim Wenders einmal in «Die Zeit». Bei Hopper wird er sich dennoch immer wieder bedienen. Und so ist klar, dass der Regisseur präsent ist, wenn sich die Fondation Beyeler einem der bedeutendsten Vertreter des Amerikanischen Realismus annimmt. Das Haus in Riehen zeigt den eigens für die Ausstellung geschaffenen 3D-Kurzfilm «Two or three things I know about Edward Hopper», in dem Wim Wenders dessen Bilderwelten lebendig werden lässt.
Gespür für Kompositionen
Zu sehen sind in Riehen auch Hoppers Aquarelle und Ölgemälde der 1910er bis 1960er. Da ist etwa «Railroad Sunset» von 1929: ein Bahngleis, ein Stellwerkturm, eine Hügelkette und ein bunter Abendhimmel. Kein Zug fährt durch, keine Menschenseele ist zu sehen. In «Gas» von 1940 steht zwar ein Tankwart einsam an den Zapfsäulen. Ein Auto scheint schon ewig nicht mehr vorbeigekommen zu sein. In «Second Story Sunlight» von 1960 blicken schliesslich zwei Frauen von einem Balkon in die Ferne – eines von vielen seiner Gemälde, in denen sich zwei nichts mehr zu sagen haben. Kinofan Hopper komponiert die Bilder wie Eröffnungsszenen von Filmen: Eine Totale etabliert den Ort einer Handlung. Nur, bei Hopper ist noch nichts passiert – oder alles schon vorbei. Welcher Sog, welche Spannung so entsteht!
Das Gespür für diese Kompositionen eignet sich Hopper über Jahre an. Nach dem Kunststudium an der New York School of Art zieht es ihn nach Paris. Dort beobachtet er Szenen auf den Strassen, studiert die Arbeiten von Edouard Manet, Gustave Courbet und Edgar Degas. Zurück in New York arbeitet er als Illustrator, zeichnet Reklamen für unsichtbare Hosenträger und Broschüren für effektive Büroarbeit. Im Sommer malt er in Neuengland Aquarelle von Holzhäusern, Leuchttürmen und Küstenlandschaften. Sowohl die Figurenkonstellationen seiner Werbungen als auch das Sommerlicht Neuenglands fliessen in seine Ölbilder ein.
Inspirierende Wirkung auf andere Künstler
Hoppers Werke sind ins kollektive Gedächtnis eingegangen als Symbole für Momente der Entfremdung und Einsamkeit in der Moderne. Geschlossene Geschäfte, leere Landstrassen, Einsame, die aus Fenstern blicken – Hopper malt sie, während in New York Wolkenkratzer gebaut werden und das Auto die Zeit der Mobilität bringt. Er entwirft so eine Art Antithese zum American Dream; ein tief melancholisches Bild der USA, das immer wieder reproduziert wird: Von Alfred Hitchcock, über Jim Jarmusch bis Sam Mendes lassen sich unzählige Regisseure vom Maler inspirieren. Tom Waits vertont mit «Eggs and Sausage» das wortlose Treffen Fremder aus der Ikone «Nighthawks». Die kanadische Band The Weakerthans erzählt im Song «Sun in an Empty Room» eine mögliche Geschichte zum gleichnamigen Gemälde: «Nimm die Gelegenheit, um zu entscheiden, ob wir das wirklich gewollt haben» – hier erzählt das lichtdurchflutete, aber leere Zimmer von einer Trennung. Es könnten so viele andere Geschichten sein.
Edward Hopper
Bis So, 17.5.
Fondation Beyeler Riehen BS