Die wenigsten würden sich König Saul auf Anhieb wohl so vorstellen: Das Gewand üppig und mit Brokat besetzt, der Umhang schwer, auf dem Kopf ein reich verzierter Turban. So malte ihn der noch junge Rembrandt van Rijn (1606–1669) in «David übergibt Goliaths Haupt dem König Saul» von 1627. Die frühe Ölarbeit des bedeutenden niederländischen Barockmalers zeigt den biblischen König als indischen Mogul-Herrscher.
Wie es zu dieser Darstellung kam, dem geht das Kunstmuseum Basel mit seiner Herbstausstellung nach. «Rembrandts Orient» zeigt, wie sich zahlrei-che niederländische Maler des 17. Jahrhunderts von Objekten und Bilderwelten des Nahen und Mittleren Ostens und Ostasiens inspirieren liessen.
Mit der Niederländischen Ostindien-Kompanie war Rembrandts Heimat ab 1602 rasch zur bedeutenden Macht im Handel zwischen Ost und West geworden. Allein bis 1611 hatten mehrere 10 000 Tonnen Gewürze, Stoffe und Kunstobjekte aus China, Japan, Indien und weiteren Ländern ihren Weg in die Niederlande gefunden. In bürgerlichen Kreisen entstand eine regelrechte Obsession für alles Orientalische. Es gehörte zum guten Ton, sich den Haushalt mit exotischen Objekten zu veredeln. Auch bei Rembrandt. Eine Auktionsliste, die nach der Pleite des Malers 1656 erstellt wurde, gibt einen Einblick in eine solche Sammlung: ein japanischer Helm, eine indische Puderdose, Löwenfelle, ein ausgestopfter Paradiesvogel, mehrere Illustrationen aus China, der Türkei und dem Mogulreich.
Diese Schätze stiessen Rembrandt zu neuartigen Bildern an. Den Mogul-Minia-turen schaute er sich Körperhaltungen ab, zeichnete sie in einer späteren Schaffensphase nach. Die Teppiche, Tücher und Turbane, die Krummsäbel und Seidenröcke setzte er in seinen Historien- und Bibelbildern, Porträts und Selbstporträts ein.
Werke zeugen von erster Globalisierung
Gleich taten es ihm Zeitgenossen wie Pieter Lastman und Thomas Wijck, oder später Jan van der Heyden. Letzterer setzte den Orient-Sammlungen des Bürgertums mit dem Stillleben «Zimmerecke mit Raritäten» 1711 ein Denkmal. Ein Perserteppich ist auf dem Gemälde zu sehen, chinesischer Seidenstoff, ein japanisches Langschwert und Porzellan.
«Rembrandts Orient» lädt auch ein, sich über Inspirationsquelle und Kunst hinaus Gedanken zu machen. Denn die gezeigten Werke zeugen von der ersten Globalisierung. Und von einer Zeit, die spätestens seit den 1970ern kritisch betrachtet wird. Die Sammellust und Orient-Begeisterung bei Bürgern und Künstlern hatte eine Kehrseite: Kolonialismus und Sklaverei, Handelskriege und Gräueltaten der Niederländischen Ostindien-Kompanie. So wirft die Ausstellung auch ein Schlaglicht auf heute. Der Begriff «Orient» steht für eine Weltsicht, an der wir uns noch immer abarbeiten. Für Rembrandt und seine Zeitgenossen mag sie von einer vermeintlich harmlosen Freude an Neuem, an sogenannt Exotischem geprägt gewesen sein. In den Jahrhunderten darauf wird sie immer mehr zu einer Haltung, die von europäischen Autoritätsansprüchen und Überlegenheit geprägt ist. Heute mag unser Blick Richtung Osten differenzierter sein – eurozentrisch ist er aber noch immer oft genug.
Ausstellung
Rembrandts Orient – Westöstliche Begegnung in der niederländischen Kunst des 17. Jahrhunderts
Sa, 31.10.–So, 14.2. Kunstmuseum Basel